Keine zwei Wochen bleiben dem polnischen Parlament Zeit, einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten zu bestimmen. Die Chancen einer Einigung sind gering - was gleichzeitig die Möglichkeit erhöht, dass es Marek Belka bei einer neuerlichen Abstimmung im Sejm doch noch schafft.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
So löblich die Idee von Marek Borowski einigen scheinen mag, so unrealistisch ist sie. Der Vorsitzende der vom regierenden SLD (Bündnis der Demokratischen Linken) abgespaltenen Sozialdemokratie Polens und ehemalige Parlamentspräsident hatte den Abgeordneten des Sejm, des polnischen Parlaments, ein Abkommen vorgeschlagen. Marek Belka wird Ministerpräsident, dafür wird das Parlament seine Selbstauflösung beschließen, um Neuwahlen im Herbst zu ermöglichen.
Mehrheitsfähig ist dieses Konzept nicht. Denn selbst die Oppositionsparteien, die Borowskis Angebot als "ehrenwert" bezeichneten, sind untereinander zerstritten. Und die SLD lehnt die Idee ab. Für seine Partei ist dies nicht akzeptabel, erklärte Vorsitzender Krzysztof Janik.
Knappe zwei Wochen hat das Parlament nun Zeit, einen Kandidaten für das Amt des Premiers zu bestimmen, nachdem Belka - wie berichtet - am vergangenen Freitag bei einem Vertrauensvotum im Sejm nicht die notwendige Stimmenmehrheit erhalten hatte. Vor allem die Bauernpartei PSL, die bis vor einem Jahr mit SLD eine Regierungskoalition bildete, legt Ehrgeiz an den Tag, einen eigenen Kandidaten zu nennen. Bis 24. Mai hat sie Zeit dafür; spätestens am 28. Mai muss die Abstimmung erfolgen.
Doch die Aussichten, dass sich die 460 Abgeordneten auf einen Namen einigen, sind gering. Das wiederum erhöht die Chance für Marek Belka, doch noch Ministerpräsident zu werden. Können die Abgeordneten nämlich keine Regierung beschließen, ist abermals Staatspräsident Aleksander Kwaœniewski mit der Nennung eines Kandidaten an der Reihe. Sein Favorit bleibt wohl Belka. Dieser müsste dann mit einfacher Mehrheit bestätigt werden.
Die Hoffnung, dass dies gelingt, äußerte Belka gestern im polnischen Rundfunk. Die Suche der parlamentarischen Klubs nach Alternativen wollte er aber nicht kommentieren. Gleichzeitig wiederholte er, keine Kompromisse bei seinem Regierungsprogramm, das notwendige Reformvorhaben wie die Sanierung des Staatshaushaltes umfasst, eingehen zu wollen. Doch auch dafür braucht er die Unterstützung der Mehrheit. n