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Polen setzten auf die soziale Option

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Niedrigste Wahlbeteiligung seit 1989. | Regierungspartei SLD bleibt im Sejm. | Warten auf Präsidentschaftswahl. | Warschau. Wirtschaftsliberal oder sozial. Wie die Politik ihres Landes in den kommenden Jahren sein soll, hatten die Polen am Sonntag zu bestimmen. So stellte es zumindest die konservative Partei von Jaroslaw und Lech Kaczynski, Recht und Gerechtigkeit (PiS) dar. Seit Tagen geißelten die Brüder das Wirtschaftsprogramm der Bürgerplattform (PO), das unter anderem eine radikale Steuerreform mit der Einführung einer Flat tax vorsah.


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Für PiS lohnte es sich: Die Partei, die in Umfragen knapp hinter der PO lag, erhielt bei der Parlamentswahl die meisten Stimmen - knapp 27 Prozent. Etwas mehr als 24 Prozent fielen auf die Bürgerplattform. Anders als in den Umfragen fiel auch das Votum für die bisherige Regierungspartei SLD (Bündnis der Demokratischen Linken) aus. Mit fast elf Prozent der Stimmen - und damit mehr als prognostiziert - schafft sie den Wiedereinzug in den Sejm, das polnische Parlament. Ihr ehemaliger Koalitionspartner, die Bauernpartei PSL, kam auf sieben Prozent.

Schwierige Kooperation

Doch die Opposition wird eher von der drittstärksten Partei, der populistischen Samoobrona (Selbstverteidigung) des selbst ernannten Bauernführers Andrzej Lepper sowie der national-katholischen Liga der Polnischen Familien geprägt werden, die knapp acht Prozent der Stimmen erhielt. Denn auch wenn die LPR PiS nationalistische Parolen unterstützt - Recht und Gerechtigkeit will mit der Bürgerplattform koalieren.

Das Mandat der künftigen Regierung stützt sich allerdings auf die niedrigste Wahlbeteiligung seit 1989, seit der ersten demokratischen Wahl nach dem Zweiten Weltkrieg. Nur 40 Prozent der Wahlberechtigten begaben sich zu den Urnen.

Dem Linksruck vor vier Jahren, als SLD mehr als 40 Prozent der Stimmen erhielt, folgt nun wieder eine politische Wende. Erneut kommen Parteien an die Regierung, die - wie PiS und PO - ihre Wurzeln in der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc haben. Die Koalitionsbildung wird allerdings nicht einfach, müssen die Programme doch neu erarbeitet werden. Während die Bürgerplattform klare Vorstellungen zu Reformen der Wirtschaft und der Verwaltung hatte, konzentrierte sich Recht und Gerechtigkeit auf die Themen Sicherheit und Justiz.

Wirtschaft im Zentrum

Doch gerade die Verhandlungen über Umfang und Tempo der Wirtschaftsreformen werden die Gespräche über eine Koalitionsbildung bestimmen. PiS, das auf soziale Marktwirtschaft setzt und zahlreiche staatliche Unternehmen in der öffentlichen Hand behalten will, ist denn auch zu Kompromissen bereit, kündigte der wirtschaftspolitische Sprecher, Kazimierz Marcinkiewicz, an. Die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes - worauf Jan Rokita, Spitzenkandidat der PO, auch nach der Wahl beharrte - komme jedoch nicht in Frage. Steuersenkungen plant aber auch PiS: So soll es künftig bei der Einkommenssteuer zwei Sätze geben, nicht mehr drei. Und die Unternehmens- sowie Mehrwertsteuer sollen auf 18 Prozent fallen.

Premier noch ungewiss

Wer allerdings mit der Regierungsbildung beauftragt wird und den Posten des Premiers übernimmt, ist weiterhin offen. Zwar würde sich PiS-Spitzenkandidat Jaroslaw Kaczynski anbieten. Doch sein Zwillingsbruder Lech, derzeit Bürgermeister von Warschau, kandidiert bei der Präsidentschaftswahl am 9. Oktober. "Sollte Lech Kaczynski Präsident werden, werde ich nicht Premier sein", erklärte Jaroslaw Kaczynski.

Die Ergebnis der Parlamentswahl in Polen könnte also erst nach der Präsidentschaftswahl feststehen. Ob die Polen schon vor dem 9. Oktober den Namen ihres künftigen Premiers erfahren, beantwortete PiS-Mitglied Ludwik Dorn: ja oder auch nein.

Bürgerplattform einmal mehr FavoritStabile Börse