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Polens Parlamentspräsident Ludwik Dorn im Interview. | PiS: "Wir sind Partei der konservativen Erneuerung." | "Wiener Zeitung":Das Bild, das von Polen im Ausland gezeichnet wird, ist oft negativ wie selten zuvor. Was ist in den zwei Jahren Regierens von Recht und Gerechtigkeit (PiS) passiert?
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Ludwik Dorn: Sie sprechen da manche Medien an. Ein wesentlicher Teil der ausländischen Journalisten lernt Polen durch Gespräche mit polnischen Journalisten kennen. Viele von denen betreiben Propaganda, sind der Regierung gegenüber feindlich eingestellt. Wir haben es mit einer diskreditierenden Kampagne zu tun.
Es ist also ein ungerechtes Bild?
Es ist grotesk. Es hat nichts mit einer sachlichen Beurteilung zu tun.
Nicht nur Journalisten, auch Politiker werfen Polen vor, selbstherrlich zu agieren.
Das hat damit zu tun, dass in der Europäischen Union ein neuer starker Spieler aufgetaucht ist, der sich seinen Platz nimmt. Das tut den anderen Spielern weh. Aber das vergeht. Selbstverständlich gibt es immer wieder Kritik. Andere kritisieren uns, wir kritisieren andere. Das spielt sich im europäischen demokratischen Rahmen ab.
Warum lehnt Polen europäische Vorhaben wie den Tag gegen die Todesstrafe oder die Grundrechtecharta ab?
Wir lehnen nicht die in der Grundrechtecharta verbrieften Sozialrechte ab. Aber wir befürchten die Einmischung supranationaler Institutionen in Bereiche der öffentlichen Moral und Gesellschaft, in Strukturen wie die Familie. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Vor ein paar Monaten wurden in einer schottischen Stadt zehn Feuerwehrmänner entlassen, die sich geweigert hatten, bei einer Homosexuellenparade Flugblätter zu verteilen, in denen die Feuerwehr warb, dass sie niemanden diskriminiert. Das kann doch nicht sein.
Auch Polens Premier Jaroslaw Kaczynski sagt, dass in Polen Homosexuelle nicht diskriminiert werden.
Es gibt keine Diskriminierung. Aber etwas anderes ist es, Menschen zu entlassen, weil sie keine Flugblätter dagegen verteilen wollen.
Und was ist gegen den Tag gegen die Todesstrafe einzuwenden?
Die Todesstrafe wird noch immer in vielen Ländern missbraucht für gerichtlich festgelegte Massenmorde. Allerdings finden wir, dass auch in einem Rechtsstaat die Todesstrafe ein Instrumentarium bilden kann, das nicht von vornherein zu verachten ist.
In der Europäischen Union, deren Mitglied Polen ist, hat sie aber keinen Platz.
Polen hat die Europäische Menschenrechtskonvention unterschrieben, die die Todesstrafe verbietet. Das ziehen wir nicht zurück, und das stellt keine Partei in Frage. Einen Tag gegen die Todesstrafe müssen wir dennoch nicht begehen. Ich persönlich bedaure es, dass in Europa nicht die Todesstrafe über einen Massenmörder und manchmal noch dazu Kinderschänder verhängt werden kann. Aber das ist nun mal so. Vielleicht wird sich das in ein paar Jahrzehnten ändern, wenn sich der ideologische Trend gewandelt hat.
Was sind die drei wichtigsten Punkte des PiS-Programms?
Wir haben vorgezogene Neuwahlen, und wir sehen keinen Grund, nach zwei Jahren Regierens unser Programm zu ändern. Wir legen großen Wert auf den Kampf gegen die Korruption. Das kritisieren jene, die behaupten, wir schaffen einen totalitären Staat. Sie fühlen sich gefährdet. Ansonsten sind wir eine Partei der konservativen Erneuerung. Unsere Prioritäten sind eine gute Ausnützung der EU-Mittel und ein Ausbau der Infrastruktur, vor allem der Straßen. Die Entwicklung Polens wird zumindest in den nächsten zehn Jahren schnell sein.
Wer soll die Arbeit machen? Wie wollen Sie die Forscher oder Ärzte im Land halten, die massenhaft emigrieren?
Wenn es um Ärzte geht, gibt es nur bei Anästhesisten ein Problem. Aber bei dem Tempo des Wirtschaftswachstums ist die Emigration kein Problem. In den vergangenen zwei Jahren sind die Einkommen in Polen real um 15 Prozent gestiegen; die Arbeitslosigkeit sinkt.
Sie sehen es also nicht als Problem an, dass bis zu zwei Millionen Polen das Land verlassen haben, um im Ausland zu arbeiten?
Doch. Der polnische Markt verspürt bereits einen Mangel an Arbeitskräften. Aber es handelt sich um kurzfristige Emigration, wie in den 50er- und 60er-Jahren in Spanien oder Portugal. Diese Menschen sind später zurückgekehrt.