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Polens Einlenken im Streit mit Russland setzt Moskau unter Druck

Von Martyna Czarnowska

Analysen

Eine hehre Geste an Russland: Das ist für Polens Premier Jaroslaw Kaczynski das Einlenken Warschaus im Streit um den Start von EU-Verhandlungen mit Russland. Fünf Monate lang hat sich Polen dem Beginn von Gesprächen über ein neues Partnerschaftsabkommen widersetzt und von Moskau die Ratifizierung einer Energiecharta sowie die Aufhebung des Importverbots für polnisches Fleisch verlangt. Nun ist Warschau aber bereit, die Blockade aufzuheben.


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Der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Land derzeit den EU-Vorsitz hält, liegt viel daran, noch in diesem Halbjahr die Verhandlungen mit Russland aufzunehmen. Denn das Abkommen soll nicht nur Handels- und Menschenrechtsfragen regeln, sondern auch die Energiebeziehungen mit der EU. Immerhin ist Russland der wichtigste Energielieferant für die Europäische Union.

Dass Merkel den Polen für ihr Einlenken etwas versprochen hat, ist aber Spekulation. Was könnte sie anbieten? Geld? Macht? Schon jetzt profitiert Polen überdurchschnittlich von Förderungen aus Brüssel. Und im Ringen um eine Verfassung für die EU sind die Positionen verhärtet.

Berlin möchte einen Fahrplan für die Umsetzung des Vertrags fixieren, Warschau gefällt die darin vorgeschlagene Machtverteilung bei Entscheidungen nicht. Bei Abstimmungen hätte Polens Stimme nämlich künftig weniger Gewicht als etwa die Deutschlands. Zwar hat Merkel Polen dazu gebracht, die Berliner Erklärung zum 50. EU-Jubiläum mitzutragen. Warschau hat dies aber nicht wehgetan: Es kann bei seiner Position bleiben - und den geplanten Termin für die Umsetzung des Verfassungsvertrags, nämlich 2009, schlicht ablehnen.

Was die EU Polen allerdings geben kann, sind die weitreichenden Garantien, die es für den Beginn der Verhandlungen mit Russland fordert. Denn verzichtet hat es auf sein Veto noch keineswegs. Es kann die Gespräche wieder blockieren, sollte Moskau das Fleischembargo nicht aufheben. Eine Frist von wenigen Wochen dafür wollte Warschau bereits im Vorjahr im Verhandlungsmandat festlegen, ist aber gescheitert. Nun rechnet die polnische Seite mit mehr Glück - zumal einige EU-Staaten hinter vorgehaltener Hand durchaus Verständnis für Polens Einwände haben. Auch sie sehen das russische Importverbot als politisches Instrument und ungerechtfertigt an.

Jedenfalls hat Polen das Verhandlungsfeld wieder erweitert und Russland gleichzeitig unter Druck gesetzt. Gegen unverhältnismäßige Maßnahmen aus Warschau kann Moskau nicht mehr wettern. Es ist nun selber am Zug.

Und schon jetzt hat Polen mit seiner geschickten Bewegung etwas erreicht: Nachdem es erfolgreich die eigenen Probleme mit Russland auf EU-Ebene gehoben hatte, hat es Gesprächsbereitschaft signalisiert. Blockierer und ständiges Problemkind in der Union braucht es sich zumindest eine Zeit lang nicht mehr nennen lassen.