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Polens gejagte Jäger

Von WZ-Korrespondent Piotr Dobrowolski

Politik

Die Antikorruptionsbehörde CBA soll zahlreiche Geständnisse erpresst haben.


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Warschau. Der Mann, der sich mit der mächtigen polnischen Antikorruptionsbehörde CBA angelegt hat, wirkt wie ein braver Musterschüler: dicke Brille, bubenhaftes Gesicht, etwas verwirrt. Doch der Schein trügt: In einer aufsehenerregenden Urteilsbegründung hat Richter Igor Tuleya die Verhörpraktiken der Antikorruptionsbehörde mit Einschüchterungsmethoden in polnischen Gefängnissen der Stalin-Zeit verglichen. Und damit einen Punkt öffentlich gemacht, über den in Polen bislang nur gemunkelt wurde.

Laut Tuleya hat die 2006 von den Brüdern Kaczynski - Lech war damals Präsident, Jaroslaw Premierminister - gegründete Antikorruptionsbehörde CBA in den beiden folgenden Jahren systematisch Geständnisse und Aussagen erpresst, unter anderem mit Einschüchterung und Schlafentzug. Bekannt gemacht hat Tuleya unter anderem die Geschichte einer Ärztin, die von CBA-Agenten direkt aus dem OP-Raum eines Spitals abgeholt wurde, wo sie gerade eine Wiederbelebung durchführte. Die Männer vom CBA stürmten das Spital mit Gesichtsmaske und in voller Einsatzmontur. Der Vorwurf, wegen dem die Agenten die Frau unverzüglich verhören wollten, war eher banal: Sie soll ihrem Kollegen Miroslaw G., der ihren Vater operiert hatte, einen Zigarrenhalter im Wert von 170 Euro geschenkt haben. Für die CBA ein Fall von Bestechung, da G. an einem öffentlichen Spital arbeitete.

Die Ärztin wurde sofort hunderte Kilometer weit nach Warschau gebracht und dann bis weit nach Mitternacht unter Schlafentzug verhört, ihre Aussagen im Nachhinein manipuliert. Hintergrund des ganzen Aufwandes: Das CBA wollte den prominenten Herzchirurgen Miroslaw G. zum Mittelpunkt einer Korruptionsaffäre machen und ihm nachweisen, dass er nur gegen Schmiergelder operierte.

Verführung und Manipulation

Auch andere Zeugen wurden durch Einschüchterung gezwungen zu gestehen, dass sie Miroslaw G. schmieren mussten, um operiert zu werden. Eine 67-jährige Frau holten die CBA-Männer in der Nacht nach dem Tod ihres Mannes ab und verhörten sie bis zwei Uhr Früh. Ein anderer Zeuge erlitt beim Einsatz des CBA eine Herzattacke, weil er glaubte, die schwerbewaffneten Sonderpolizisten seien Einbrecher.

Die von Richter Tuleya angeprangerten Methoden der CBA haben viele Polen nicht wirklich überrascht. Das Antikorruptionsbüro CBA sollte beweisen, dass es die Kaczynskis und ihre rechts-nationale PiS-Partei mit der Bekämpfung des organisierten Verbrechens ernst meinten. Als echte Erfolge ausblieben, begann das CBA daher selbst Fälle zu produzieren, um sie dann mit großem medialen Getöse als Erfolge zu präsentieren.

So hat etwa ein CBA-Agent mit dem Decknamen "Tomek" im Jahr 2007 die Abgeordnete Beata Sawicka verführt und ihr den Plan unterbreitet, eine öffentliche Ausschreibung mit Schmiergeldern so zu manipulieren, dass ein befreundeter Geschäftsmann zum Zug kommt. Die spätere Geldübergabe wurde vom CBA gefilmt und als spektakulärer Erfolg im Kampf gegen die Korruption dargestellt.

Ein anderer Agent, Code-Name "Großer Tomek", hat sich während des Einsatzes gegen den Arzt G. an eine Krankenschwester herangemacht und sie dazu gebracht, ihm als Liebesbeweis Krankenakten aus dem Spital zu schmuggeln. Für CBA-Kritiker ein klarer Fall von Anstiftung zu einer strafbaren Handlung.

Die PiS-Partei steht aber trotz der publik gewordenen Missstände weiter eisern zur CBA. In den vergangenen Tagen forderten mehrere hochrangige PiS-Politiker daher die Absetzung des Aufdecker-Richters Tuleya. Mariusz Kaminski, jener PiS-Mann, der die Antikorruptionsbehörde CBA zur Zeit der illegalen Aktionen leitete, verteidigt sein Vorgehen bis heute: "Die Festnahmen der erwähnten Personen sind in ihrem eigenen Interesse geschehen, damit sie zu den im Raum stehenden Vorwürfen Stellung nehmen können."

Justizminister Jaroslaw Gowin von der regierenden Bürgerplattform hat Richter Tuleya indes nach anfänglichem Zögern in Schutz genommen. "Er hat mit seiner Äußerung kein Vergehen begangen, auch wenn ich den Vergleich mit der Stalinzeit für übertrieben halte."

Doch damit scheint die Sache noch lange nicht aus der Welt zu sein. In Polen werden nun immer mehr Stimmen laut, die die Abschaffung oder zumindest eine grundlegende Reform des CBA fordern.