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Polens neuer Staat

Von WZ-Korrespondent Ulrich Krökel

Politik

Liberale, Linke und Ausländer haben in Jaroslaw Kaczynskis Polen keinen Platz.


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Warschau. (n-ost) Polens neue Rechtsregierung kennt weder Zögern noch Zaudern oder gar ein Zurück. Die jüngste Kritik der EU-Kommission am umstrittenen, als demokratisch fragwürdig eingestuften Kurs der nationalistischen PiS-Partei war noch nicht verklungen, da legte Ministerpräsidentin Beata Szydlo nach. Bis zum Sommer werde die Regierung "die Sanierung des Staates und seiner Institutionen abschließen", berichtete die "Rzeczpospolita".

Was Szydlo und andere Führungsfiguren der PiS mit "Sanierung" meinen und wie sie denken, daraus machen sie keinen Hehl. Polen sei ein "katholisches Land der Patrioten", sagt der übermächtige PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski. Liberale, Linke und Ausländer haben in diesem Polen keinen Platz, wie PiS-Außenminister Witold Waszczykowski erläutert: "Die Welt muss sich nicht in eine Richtung bewegen, hin zu einem Mix von Kulturen und Rassen, hin zu einer Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen."

Von den Nachbarn in Europa, insbesondere von Deutschland, verlangt Waszczykoswki "mehr Verständnis". Die PiS arbeite sich an den "marxistischen" Fehlern der Vorgängerregierung ab. Die PiS macht auch kein Geheimnis daraus, wie sie ihre Agenda umsetzen will. Die zentrale Leitlinie formulierte der angesehene PiS-Abgeordnete Kornel Morawiecki. Vor dem Sejm erklärte der 74-Jährige: "Das Wohl und der Wille des Volkes stehen über dem Recht."

PiS-Kritiker wie der liberale EU-Abgeordnete Jozef Pinior sehen "in dieser Interpretation des Rechts eine Nähe zu faschistischem Gedankengut". Tatsächlich haben sich frühere faschistische Regime, allen voran die deutschen Nationalsozialisten, immer wieder auf einen behaupteten Volkswillen berufen.

Im heutigen Polen allerdings dürfte der Verweis auf den Volkswillen eher machttaktischen Erwägungen folgen. Kaczynski hat erklärt: "Der Volkswille manifestiert sich im Parlament." Im Sejm und dem Senat verfügt die PiS, die in Andrzej Duda auch den Präsidenten stellt, seit den Wahlen des Jahres 2015 über absolute Mehrheiten. Auf diese freie Entscheidung der Bürger kann sich die Partei berufen. Doch die Behauptung, der Volkswille stehe über dem Recht, verneint ein fundamentales Prinzip jeder demokratischen Ordnung: die Teilung der Staatsgewalt zwischen Parlament, Regierung und Rechtsprechung. Als vierte Säule jeder Demokratie gelten heute unabhängige Medien.

Die PiS hat die klassische Gewaltenteilung in Polen bereits in den ersten zwei Monaten ihrer Regierung ausgehebelt. Mit ihrer Macht in Parlament und Regierung, den ersten beiden Gewalten, hat sie per Eilgesetzgebung das Verfassungsgericht entmachtet und die Voraussetzungen geschaffen, um die staatlichen Medien in regierungstreue "nationale Kulturinstitute" zu verwandeln. Die weitere "Sanierungsagenda" der PiS sieht eine Reform der allgemeinen Gerichtsbarkeit vor.

Ins Visier genommen hat die Regierung zudem Handelsketten und Banken, die deutlich höher besteuert werden sollen. Mit den Einnahmen will die PiS ihre Wahlversprechen finanzieren: die Rücknahme der Rente mit 67, ein höheres Kindergeld und kostenfreie Medikamente für Alte. Das teure wie populäre Sozialprogramm ist ein zentraler Teil des PiS-Plans, sich die Gunst der Wähler auf Dauer zu sichern. Zugleich will sich die Partei aber nicht auf die Wirkung von Wohltaten verlassen. Als wichtigstes Projekt dürfte die Szydlo-Regierung eher früher als später ein neues Wahlgesetz projektieren, das der PiS den "demokratischen" Machterhalt sichern soll. Denkbar wären ein Neuzuschnitt der Wahlkreise und die Einführung eines Mehrheitswahlrechts. Eine zersplitterte Opposition, wie es sie derzeit in Polen gibt, ließe sich so leicht besiegen.