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Polens Opposition setzt auch bei Fußball auf Widerstand

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Regierung von Premier Tusk lehnt Boykott des Nachbarlandes ab.


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Warschau/Brüssel. Beim Mittagessen fehlten zwei: Als Polens Premier Donald Tusk in Warschau zu Wochenbeginn seine Vorgänger zu einem feierlichen Mahl begrüßte, waren zwei ehemalige Ministerpräsidenten nicht anwesend. Der konservative Politiker Jan Olszewski blieb dem Treffen aus gesundheitlichen Gründen fern, und der jetzige Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski hatte einen anderen Termin.

Dabei wollte Tusk eigenen Angaben zufolge allen für ihren Beitrag dazu danken, dass die Fußball-EM heuer in Polen und in der Ukraine ausgetragen wird. Es sei nämlich der Verdienst auch seiner Vorgänger. Zwar war der eigentliche Grund der mittäglichen Zusammenkunft der Jahrestag der ersten - beinahe - freien Parlamentswahl nach dem Sturz des sozialistischen Regimes, die im Juni 1989 durchgeführt wurde. Doch dreht sich in Polen derzeit auch in der Politik, wie bei dem Ex-Premiertreffen, sehr viel um die Euro 2012. Und die wird halt ebenfalls dazu genutzt, um die Meinungsunterschiede zwischen Regierung und Opposition zu betonen.

Während das Kabinett Tusks etwa von einem Boykott der Spiele im Nachbarland nichts hält, hat Kaczynski, der Vorsitzende der nationalkonservativen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit), gar eine Verlegung des EM-Finales von Kiew nach Warschau vorgeschlagen, um gegen die politische Situation in der Ukraine zu protestieren. Während Tusk bei einem Treffen mit EU-Kollegen in Brüssel erst vor kurzem um eine Teilnahme der Politiker bei dem einen oder anderen Match warb, sprach sich Kaczynski für eine harte Haltung gegenüber Kiew aus. Immerhin will er die Zeit der Meisterschaft nicht für andere Proteste nutzen: Demonstrationen gegen die umstrittene Heraufsetzung des Pensionsantrittsalters soll es in den kommenden Wochen doch nicht geben - entgegen früheren Überlegungen so mancher PiS-Politiker.

Gefestigte Demokratie

Zwist gab es aber auch um den Ausbau der Infrastruktur, die den Polen im Zuge der Vorbereitungen auf das Sportereignis versprochen wurde. Von den hunderten Kilometern Autobahn, die die Regierung bauen lassen wollte, ist nur ein Bruchteil fertig geworden.

Generell muss Tusks Mannschaft bei etlichen Reformvorhaben auf lautstarke Kritik nicht nur im Parlament sondern ebenfalls auf den Straßen gefasst sein, da Opposition und Gewerkschaften immer wieder Anhänger mobilisieren können. Dies führt dazu, dass die Regierung nach Ansicht einiger Experten langsamer Änderungen umsetzt, als sie es sollte.

Das politische Hickhack ändert jedoch nichts daran, dass die polnische Demokratie immer gefestigter ist. Erstmals nach den Umwälzungen 1989 wurde bei der Parlamentswahl im Vorjahr ein Regierungschef in seinem Amt bestätigt. Für seine wirtschaftliche Entwicklung wird Polen in der ganzen EU gelobt. Eine Aufnahme des Landes in die Euro-Zone in nicht so ferner Zukunft können sich mittlerweile etliche Mitglieder vorstellen - auch wenn diese Vision in Polen selbst derzeit gar nicht beliebt ist.