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Polens Parteien auf Platzsuche

Von Martyna Czarnowska

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Während Ministerpräsident Tusk eine Spaltung seiner Fraktion verhindern will, startet die Opposition einen Versuch, die linken Kräfte zu bündeln.


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Für die Wiederholung war ich vorbereitet. Nachdem ich die einzige Prüfung meines Studiums bei einem Auslandssemester in Poznan nicht bestanden hatte, habe ich mir solides Wissen über die polnische Parteienlandschaft angeeignet. Verstanden habe ich diese dennoch nicht ganz, erklärte ich dem Professor gleich zum Einstieg. Und zog einen Vergleich zu den Systemen in Westeuropa, wo die Unterscheidung zwischen linken und rechten Fraktionen weit einfacher zu treffen ist.

Dort nämlich stand der rechte Flügel der politischen Bühne lange Zeit für konservative Werte und eine liberale Wirtschaft; der linke leitete sich von der Arbeiterbewegung ab und war meist mit der Sozialdemokratie verknüpft. In Polen hingegen streitet ein Teil der Konservativen um die Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, ein anderer fordert staatliche Hilfen für die Wirtschaft. Die Linke wiederum hat sich schon einmal stark für Privatisierungen eingesetzt.

Hinzu kommt, dass die Regierungspartei und die größte oppositionelle Fraktion aus dem gleichen Lager stammen. Beide haben ihre Ursprünge in der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc. Doch während die Bürgerplattform (PO) unter Premier Donald Tusk Richtung politischer Mitte gewandert ist, ist die von den Zwillingsbrüdern Jaroslaw und Lech Kaczynski gegründete Gruppierung Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine nationalkonservative und paternalistische Partei geblieben.

Zwischen diesen beiden Blöcken hat sich die Linke aufgerieben. Bei der Parlamentswahl 2011 schaffte es das Bündnis der demokratischen Linken (SLD), das einst einen Präsidenten und Premier gestellt hatte, nicht einmal jeden zehnten Wähler zu überzeugen. Doch nun gibt es eine neue Idee, die linken Kräfte zu bündeln - und zwar für die Wahlen zum EU-Parlament im kommenden Jahr. Zu dem Zweck will der ehemalige Staatspräsident Aleksander Kwasniewski mit Janusz Palikot und dessen gleichnamiger Bewegung zusammenarbeiten. "Europa plus" soll sich die Gruppierung nennen. Palikot, für seine aktionistischen Auftritte bekannt, hatte mit seinem linksliberalen Programm bei der letzten Wahl mehr Stimmen bekommen als das Linksbündnis SLD.

Dieses schloss denn auch eine Kooperation mit dem Unternehmer aus. Stattdessen wollte es sich zuletzt auf die Werte der Sozialdemokratie besinnen und rügte das Finanzministerium dafür, zu wenig Geld zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zur Verfügung zu stellen. Immerhin ist in dem Land mittlerweile jeder siebente Mensch ohne Job - das ist die höchste Quote seit sechs Jahren. Im Jänner betraf das 2,3 Millionen Polen.

Die Regierungspartei kämpft allerdings auch mit anderen Problemen. Ihr konservativer Flügel wettert gegen Pläne zu einem Partnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Paare, für das sich Premier Tusk stark macht. Eine Spaltung der Fraktion droht. Würden die Konservativen die PO verlassen, würde diese wohl noch ein Stück näher zum politischen Zentrum rücken. Was die Unterscheidung zwischen "rechts", "links", "Mitte", "populistisch" oder "pragmatisch" in Polen auch nicht einfacher macht.