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Polens traurige Geschichte

Von Martyna Czarnowska

Leitartikel
Martyna Czarnowska

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Es ist zu traurig, um von der Ironie der Geschichte zu sprechen. Jahrzehntelang sind Polen auf die Straßen gegangen und wurden in Gefängnisse gesperrt, weil sie sich gegen einen Unrechtsstaat wandten. 1989 brachten sie das sozialistische Regime ins Wanken - sie erkämpften sich freie Wahlen, die Legalisierung der Gewerkschaften, demokratische Mitsprache. 2004 traten sie der Europäischen Union bei. Und dreizehn Jahre später bekommen sie nun attestiert, dass der Rechtsstaat, den sie sich errungen haben, in Gefahr ist.

Wegen einer umstrittenen Justizreform, die die Unabhängigkeit der Gerichte und die Gewaltenteilung untergraben könnte, hat die EU-Kommission ein Grundrechteverfahren gegen Polen eingeleitet. "Schweren Herzens", wie Vizepräsident Frans Timmermans betonte. Es klang glaubwürdig. Nie zuvor ist Artikel 7 der EU-Verträge, der die Prozedur festlegt und sogar den Entzug von Stimmrechten bei EU-Ministersitzungen ermöglicht, aktiviert worden. Timmermans hätte lieber weiterhin einen "Dialog" mit der polnischen Regierung geführt, wie er den seit zwei Jahren schwelenden Zwist um die Änderungen im Justizwesen bezeichnet. Doch zum Reden sind zwei nötig. Das nationalkonservative Kabinett in Warschau war aber in den vergangenen Monaten weder auf konstruktive Gespräche aus, noch zog es überhaupt in Erwägung, die Verbesserungsvorschläge der Kommission umzusetzen. Stattdessen verbot es sich die Einmischung von außen.

Die EU ist für Polen jedoch nicht "außen". Das Land ist mittendrin in der Union. Und diese will nun einmal auch eine Wertegemeinschaft sein, deren Standards für große wie kleine, ältere wie jüngere, mächtige wie weniger einflussreiche Mitglieder gelten sollen. Für diese Werte gehen etliche Polen weiterhin auf die Straßen: Die Debatte um die Justizreform war von Anfang an von Protesten quer durchs Land begleitet. So manchem Demonstranten könnte es ein Trost sein, dass die EU-Kommission nun Maßnahmen ergreift. Dass es aber die Regierung zum Umschwung bewegt, ist unwahrscheinlich. Zu befürchten ist, dass sie sich weiter einigelt.

Schadenfreude über das Strafverfahren, wie sie teilweise aus dem EU-Parlament herauszuhören ist, ist jedenfalls unangebracht. Denn umgekehrt ist auch Polen nicht "außen". Die Isolation eines Mitglieds macht die EU alles andere als stärker.