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Polens weiter Weg zur gemeinsamen Währung

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Ihre Pläne, der Eurozone schon in drei Jahren beizutreten, muss die polnische Regierung revidieren. Wohl nicht vor 2009 kann der Euro den Z³oty ablösen. Dennoch stehen für die Bevölkerung andere Themen im Mittelpunkt: Ein halbes Jahr EU-Mitgliedschaft beurteilt sie mit Zurückhaltung.


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Sergiusz Najar hat klare Vorstellungen von der Zukunft Polens. Im Jahr 2013 werde das Land der Eurozone und dem Schengenraum beigetreten sein, die wichtigsten Autobahnen seien fertiggestellt, und das Wirtschaftswachstum werde weiterhin an die fünf Prozent betragen, meint Najar, im polnischen Außenministerium für Außenwirtschaft zuständig. Dennoch räumt er auch Schwierigkeiten ein: "Polen ist und bleibt noch einige Jahre ein Defizitland." Zwar soll das Defizit im kommenden Jahr von 5,7 auf 3,9 Prozent gesenkt werden. Doch danach könnte es wieder steigen.

Nur ein Kriterium erfüllt

Ein Kriterium für den Beitritt zur Eurozone erfüllt Polen allerdings: Die Staatsverschuldung, die heuer wohl bei 52,2 Prozent liegt, wird nach Prognosen des Finanzministeriums auch in den kommenden Jahren 60 Prozent nicht überschreiten. Die Inflation wiederum müsste weiter eingedämmt werden. Die Schätzungen für die Inflationsrate am Jahresende liegen zwischen 4 und 6 Prozent. Könnte Polen den Anforderungen der EU bis 2007 gerecht werden, wäre die Einführung des Euro im Jahr 2009 denkbar.

Ein Beitritt zur Eurozone wäre nicht zuletzt wegen größerer Exportmöglichkeiten und Mobilität auf dem internationalen Markt vorteilhaft, argumentierte Finanzminister Miros³aw Gronicki in der Vorwoche im Parlament (Sejm). Einwände der Opposition, dass die Preise steigen würden und Polen seine Eigenständigkeit einbüßen würde, wies er zurück.

Unzufriedenheit bleibt

Doch es ist nicht nur der Euro, über den sich viele Polinnen und Polen Sorgen machen. Ein halbes Jahr nach dem Beitritt zur Europäischen Union überwiegt die Skepsis, ob die Mitgliedschaft Vorteile bringe. Zwar liegt die Zustimmung zur EU weiterhin bei mehr als 60 Prozent. Doch wie eine Umfrage für die polnische Zeitung "Rzeczpospolita" ergab, empfinden die meisten Polen keine Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation. 93 Prozent finden, dass die Preise gestiegen sind, und 54 Prozent meinen, ihr Lebensstandard sei gesunken. Mehr Möglichkeiten, ins Ausland zu reisen, streichen aber 79 Prozent der Befragten als positiven Aspekt hervor.

Landwirte profitieren

Den Hang zur Klage kritisiert wiederum Ró¿a Thun, Vorsitzende der nichtstaatlichen Robert Schuman-Stiftung. "Polen stellen ihre Lage oft schlechter dar als sie tatsächlich ist", stellt sie fest. Die Vorteile etwa des EU-Beitritts werden dabei kaum in den Vordergrund gerückt. So hätten beispielsweise die Landwirte von der Mitgliedschaft sehr profitiert.

Für diese Bevölkerungsgruppe, die noch vor einem Jahr dem EU-Beitritt großteils skeptisch gegenüber gestanden war, werden die Vorzüge nun greifbar. Im Vormonat starteten die EU-Agrarzahlungen: Die erste Gruppe von 5.100 Bauern erhält insgesamt 4,9 Mio. Euro. Mehr als 1,4 Millionen polnische Bäuerinnen und Bauern haben Anträge auf Förderungen gestellt. Rund hundert Euro stehen ihnen pro Hektar und Jahr zu. Die Erleichterung, dass der EU-Beitritt nicht den Tod des polnischen Dorfes brachte - wie von Populisten behauptet - ist auch messbar. Die Zustimmung der Bauern zur EU ist in den letzten Monaten um 20 Prozent gestiegen.