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Ökonomen zeigen Effekt an Instituten in Österreich auf. | Betroffene Banken spürbar weniger profitabel. | Wien. Zuerst die gute Nachricht: Nicht alle Politiker missbrauchen Banken in ihrem Einflussbereich als günstige Geldquelle für - letztlich - eigene Zwecke. Nun die schlechte: Dass viele Volksvertreter dies unter bestimmten Umständen dennoch tun, lässt sich am Beispiel Österreichs nicht nur vermuten, sondern wissenschaftlich nachweisen.
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In einer Studie für das European Corporate Governance Institute haben Alex Stomper vom Massachusetts Institute of Technology, Michael Halling von der University of Utah und Pegaret Pichler von der Northeastern University Daten von 53 gemeindenahen Banken in Österreich unter die Lupe genommen. Das Resultat: In politisch umkämpften Regionen neigen die Machthaber dazu, auf Kosten einer Bank, in der sie das Sagen haben, öffentliche Aufgaben zu finanzieren.
Die Beweisführung der Ökonomen ist - im Kern - so simpel wie überzeugend: Seit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 gilt es als unerlaubte Wettbewerbsverzerrung, wenn sich Gemeinden von ihrer eigenen Bank Kredite geben lassen, deren Zinsen unter dem Marktniveau liegen. Siehe da: Nach 1995 stiegen die Profite, die viele dieser Geldinstitute mit Gemeindekrediten machten, deutlich an - und das, obwohl der Wettbewerb unter den Banken generell zunahm und die Profitabilität insgesamt sank.
Die Studienautoren folgern daraus, dass diese Banken vorher ihren öffentlichen Eigentümern weniger profitable Finanzierungen gewährt hatten. Betroffen waren nur Institute in politisch umkämpften Gemeinden: Dort müssen Politiker kurzfristig gut dastehen, um Wahlen zu gewinnen. Können Politiker aufgrund der Deutlichkeit der Resultate vergangener Urnengänge damit rechnen, dass sie oder ihre Parteien auch künftig am Ruder sein werden, überwiege die Sorge vor den langfristig negativen Effekten solcher "Plünderungen", so das Argument.
Namhafte Summen
Schließlich werde durch unprofitable Kreditvergaben den Banken Geld entzogen, das ihnen als Stabilitätspolster im Falle einer Krise fehlt, heißt es. Geht ein Politiker davon aus, langfristig an der Macht zu sein, muss er Sorge haben, dafür verantwortlich gemacht zu werden.
Dass es bei den "Plünderungen" durch unter Druck stehende Politiker um namhafte Summen geht, zeigen die Berechnungen der Ökonomen: Von 1990 bis 1999 lag die Profitabilität betroffener Banken im Durchschnitt um 0,5 Prozent unter jener nicht betroffener Gemeindeinstitute. In den fünf Jahren nach dem EU-Beitritt Österreichs, als die Möglichkeit der allzu leichten Einflussnahme weggefallen war, nahm die Profitabilität der betroffenen Institute im Durchschnitt um ein Prozent oder 4,6 Millionen Euro pro Bank zu.
Studienautor Alex Stomper verweist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" darauf, dass die politischen "Plünderungen" nicht nur im Gemeindebereich auftreten können, sondern auch bei anderen Gebietskörperschaften. Er plädiert für mehr Transparenz, um dies zu vermeiden.
Denn der EU-Beitritt hat der problematischen Verquickung zwischen Politik und Finanzwelt nicht überall einen Riegel vorgeschoben: Die Studie zeigt, dass Regionen mit niedrigerem Wohlstandsniveau zu unattraktiv für Banken sind, als dass Wettbewerb politisch gewünschten Verzerrungen vorbeugen könnte. Hier wird auch auf die Kärntner Hypo Group Alpe Adria verwiesen. Wie die "Wiener Zeitung" exklusiv berichtete, kritisierte nämlich die EU-Kommission im Vorjahr die "relativ niedrigen Margen" der Bank im Geschäft mit der öffentlichen Hand.
M. Halling/P. Pichler/A. Stomper: The Politics of Related Lending. ECGI Working Paper 296/2010. November 2010