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Abgeordnetenhaus wird am Sonntag neu bestimmt. | Mexiko. (dpa) In Mexiko wird kommenden Sonntag das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Die Deputierten des Unterhauses des Kongresses werden alle drei Jahre neu bestimmt. Bei dieser Zwischenwahl zur Mitte der sechsjährigen Amtszeit von Präsident Felipe Calderon messen die Parteien ihre Kräfte schon im Hinblick auf die nächste Präsidentschaftswahl 2012 und positionieren ihre Kandidaten. Dennoch tendiert das Interesse der Mexikaner daran gegen Null.
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Der Begriff Null kommt seit geraumer Zeit in der mexikanischen Politik recht häufig vor. Und es könnte sein, dass er zum Wort der Parlamentswahl werden wird. Aus Protest gegen die "politische Klasse" ist in den vergangenen Monaten eine Bewegung entstanden, die sich bei der Wahl für die Nullstimme ("Voto Nulo") stark macht. Die Bürger werden aufgefordert, zur Wahl zu gehen, aber niemanden zu wählen und einen weißen Stimmzettel abzugeben, um damit allen Politikern Mexikos das Vertrauen zu entziehen.
Die Wahlbeteiligung, bei Zwischenwahlen traditionell bei unter 50 Prozent, wird Umfragen zufolge dieses Mal besonders niedrig sein. Es wird damit gerechnet, dass bis zu mehr als 60 Prozent der Wahlberechtigten sich enthalten. Zusätzliche zehn Prozent der Wähler könnten sich dem "Voto Nulo" anschließen. Dann könnte die wirkliche Beteiligung bei unter 30 Prozent liegen. "Die Menschen sind unterschiedslos frustriert über die Parteien", sagt Frank Priess, der Repräsentant der Konrad Adenauer-Stiftung in Mexiko. "Sie sehen keinen Unterschied bei den Parteien, weil sich durch die Wahl kaum etwas ändern wird."
Drogenhandel erstarkt
Die politische Klasse Mexikos hat sich nicht wesentlich gewandelt, obwohl im Jahre 2000 zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) von der konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) an der Macht abgelöst worden war. Der Erneuerungseifer erlahmte schnell am Widerstand des von Korruption und Vetternwirtschaft geprägten politischen Systems. Aber auch am wachsenden Einfluss der "Narcos", der Drogenkartelle. "Man spürt, wie sie in allen Bereichen Fuß gefasst haben, auch in den Medien", sagt ein ausländischer Experte.
Vor allem die Unfähigkeit der Politik, der zunehmenden Unsicherheit Herr zu werden, empört die Menschen. Bei seinem Amtsantritt Ende 2006 hatte Präsident Calderon von der PAN der organisierten Kriminalität den Krieg erklärt - mit dem Ergebnis, dass in gut zweieinhalb Jahren rund 14.000 Menschen zu Tode gekommen sind. Zahlreiche Drogenbosse wurden festgenommen und aus dem Verkehr gezogen. Doch die Kartelle existieren weiter.
Aufschlussreich und schockierend zugleich war vor kurzem die Äußerung des Bürgermeisterkandidaten von San Pedro Garza García, einer der wohlhabendsten Ortschaften Mexikos, nahe Monterrey im Nordosten des Landes. Er hatte gesagt, in seiner Stadt gebe es eine Absprache mit dem Kartell, dessen Mitglieder zudem dort wohnten.
Die Unterwanderung der mexikanischen Politik vor allem auf dem flachen Lande ist schon keine Neuigkeit mehr: Als unterwandert von den Kartelle gelten bis zu 70 Prozent der Ortschaften, kontrolliert werden von ihnen fast 30 Prozent. In Michoacan, dem Heimatstaat Calderons, wurden seit Ende Mai neun Bürgermeister und mehr als 20 weitere Funktionäre festgenommen, unter dem Verdacht, mit den Kartellen zusammenzuarbeiten.
Schwache Wirtschaft
Auch wirtschaftlich geht Mexiko schweren Zeiten entgegen. Die Weltwirtschaftskrise hat zu dramatischen Einbrüchen in der Industrieproduktion geführt. Die Einnahmen aus den Überweisungen der Emigranten aus den USA gehen zurück, und auch der Tourismus hat in diesem Jahr nicht nur wegen der Wirtschaftskrise, sondern auch wegen der Grippe-Epidemie Schaden genommen.
Die Einkünfte aus der Ölproduktion sind ebenfalls rückläufig. Wegen der Unfähigkeit den Ölsektor - ein staatliches Monopol - zu reformieren, wird die Produktion nach Expertenmeinung nur noch für einige Jahre reichen. Da mit dem Öl aber ein großer Teil des Staatshaushaltes finanziert wird und es andererseits keine Finanzreform gibt, die die Mexikaner dazu bringen würde, mehr Steuern als bisher zu bezahlen, ist absehbar, dass der Staat auf den finanziellen Ruin zusteuert, wenn er nicht rechtzeitig gegensteuert. Die Zwischenwahlen dürften daran nichts ändern.