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Polit-Streit um Räumung Pariser Einwandererhäuser

Von WZ-Korrespondent Christian Giacomuzzi

Europaarchiv

Innenminister läßt Muskeln spielen. | Linke spricht von argem Zynismus. | Paris. Zu einer heftigen politischen Kontroverse hat in Frankreich die am Freitag vorgenommene Zwangsräumung zweier von Einwanderern besetzter Wohnhäuser in Paris geführt. Innenminister Nicolas Sarkozy (UMP) ordnete den Polizeieingriff nach einer Serie tödlicher Hausbrände in heruntergekommenen Immigrantenquartieren der Seine-Metropole an. Sozialisten und Menschenrechtsorganisationen warfen dem Innenminister und Chef der Regierungspartei Union für eine Volksmehrheit (UMP) vor, die Ausländer für die Wohnungskrise in Paris verantwortlich zu machen.


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Aufruf zu Protesten

Rund 20 Organisationen und Parteien riefen für dieses Wochenende zu Protestdemonstrationen auf, um eine neue Unterkunft für die auf die Straße gesetzten Familien zu fordern. Seit dem vergangenen Frühjahr starben bei Wohnungsbränden in Paris etwa 50 Personen, zumeist Afrikaner. Die letzten beiden Brände im August kosteten 24 Menschenleben.

Freitagfrüh traten die Beamten der Einsatzpolizei CRS in einem Gebäude im 19. Pariser Stadtbezirk und in einem weiteren im 14. Bezirk in Aktion. Etwa 200 Personen wurden teilweise unter Kraftanwendung auf die Straße gesetzt. Unter ihnen viele Mütter und Kinder. Angaben der Vereinigung Droit au Logement (Recht auf Unterkunft) zufolge verfügen die meisten von ihnen über keine gültige Aufenthaltsgenehmigung. Ihnen droht die Zwangsausweisung aus Frankreich. "Es ist skandalös, die Leute am Tag des Schulbeginns zu vertreiben, wir sind doch keine Tiere", beklagte sich etwa die 23-jährige MBenin aus der Elfenbeinküste, die gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn in einem der Gebäude lebte.

Bereits zu Wochenbeginn hatte Sarkozy erklärt, dass die gefährdeten Wohngebäude in Paris, laut Angaben der Polizeipräfektur etwa 60, zur Gänze geräumt werden müssten. Laut Polizeidirektion, betrifft die Zwangsräumung nur jene Personen, die weder einen Mietvertrag noch sonst ein Recht besitzen, in den betreffenden Wohnungen zu verweilen. Die ausgewiesenen Familien sollen in Notunterkünften beherbergt werden, bis sie eine neue Bleibe finden. Zahlreiche Betroffene weigerten sich allerdings, sich abtransportieren zu lassen, zumal keine Angaben darüber gemacht wurden, wo sich diese Quartiere befinden.

Kritik von der Linken

Als einen "unglaublichen Zynismus" bezeichnete der sozialistische Abgeordnete Jean-Marie Le Guen den Umstand, dass "die schwächsten Pariser auf die Straße gesetzt werden". Er prangerte die Zwangsräumungen als "medienträchtige und brutale Politik" an. Die Kommunisten kritisierten die "repressiven Lösungen des Innenministers". Chefin Marie-George Buffet forderte einen Dringlichkeitsplan zur Bekämpfung der Wohnungsnot in der französischen Hauptstadt. Zentraler Punkt sei dabei, den Wohnbau den Immobilienspekulationen zu entziehen. Am Donnerstag hatte Premier Dominique de Villepin (UMP) angekündigt, dass in den nächsten 18 Monaten 3000 zusätzliche Sozialwohnungen errichtet werden sollen.