Ein demokratiepolitisches Dilemma zeichnet sich ab - eine kurze Analyse der derzeitigen Wahlwerber.
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Eine lebendige Demokratie lebt von einem Diskussionsprozess über die programmatischen Vorstellungen der Wahlwerber, und je breiter dieser geführt wird, umso eher kann sich der Bürger eine Vorstellung vom Sinn oder Unsinn eines Parteiprogramms machen. Aber gerade in dieser wichtigen demokratiepolitischen Frage läuft derzeit in Österreich ein nahezu bedenklicher Prozess ab. Einerseits häufen sich die Parteien, deren programmatische Vorstellungen kaum konkret, sondern im Wesentlichen ideologische Grundsatzpapiere sind.
Zudem stehen nicht Inhalte im Vordergrund, nicht die Diskussion darüber, sondern vielfach Personen und Gesichter. Letztere bemühen sich mit Schlagwörtern und pseudodemokratischen Wortschöpfungen um die Gunst von Wählern, die längst begriffen haben müssten, dass genau das zu wenig ist, um so regieren zu können, dass endlich Antworten auf gesellschaftspolitische Fragestellungen im Interesse der Mehrheit der Bürger gegeben werden können.
Insbesondere die Neue ÖVP versucht diesen Weg zu gehen. Konkrete Aussagen zur künftigen Innenpolitik und deren Folgen gibt Parteichef Sebastian Kurz kaum. Ein Detailprogramm für eine künftige Legislaturperiode fehlt bisher ebenso. Wo sich der neue Parteichef zu Wort meldet, wie etwa in der Flüchtlingspolitik, bleibt er populistisch. Wohl aber gibt es viele neue Gesichter in der Partei, hauptsächlich Jugendfreunde von Kurz, die den Wählern eine Art Dynamik-Image vortäuschen sollen.
Die Neos üben sich in einer ähnlichen Strategie. Mit Schlagworten wie "Freiheit und Verantwortung" wird eine Ex-Präsidentschaftskandidatin aufs Wahlvolk losgelassen.
Die FPÖ weiß offenbar nicht, wie sie auf diese neue Welle populistischer, wenig konkreter Politik reagieren soll. War es doch bisher ihre Domäne, dem Volk etwas vorzugaukeln. Nun ist guter Rat teuer, denn wenn man plötzlich von Gauklern umgeben ist, die als Verpackungskünstler auftreten, beginnt die eigene Verpackung zu bröckeln. Und wo kein Inhalt war, bleibt nur Schweigen.
Die Grünen sind in einer äußerst merkwürdigen Lage: Eine Partei, die aus einer Bewegung hervorging und zuletzt alles daransetzte, dieses Image abzuschütteln, ist nun plötzlich umgeben von Konkurrenten, die gerade darauf abzielen, Bewegung vorzutäuschen. Dass man sich in dieser Situation auch noch gerade jener Personen entledigt hat, die noch den Hauch einer Aura hatten, die Volksinteressen vor Parteiinteressen stellt, macht eine Zukunftsstrategie nicht gerade einfacher.
Die SPÖ agiert derzeit noch am ehesten im Stil einer Partei - mit allen Vor- und Nachteilen eines traditionellen und nicht unproblematischen Parteicharakters. Erfolg oder Misserfolg kann dabei in der inhaltlichen Abgrenzung, der Detailgenauigkeit des politischen Wollens zur Konkurrenz liegen, aber wohl auch im Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Ein Anfang ist insofern gemacht, als die SPÖ als einziger Wahlwerber ein ziemlich konkretes Arbeitsprogramm vorgelegt hat. Wenn es ihr gelingt, auch jene Strukturen zu schaffen, die gewährleisten, dass der einzelne Bürger an der Umsetzung der Ideen aktiv teilnehmen kann, kann das Partei-Image durchaus von Vorteil sein.