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Politik als "Pflanzen für den Planeten"

Von Ariane Benedikter und Roland Benedikter

Gastkommentare

2015: Durchbruch in der Klimafrage?


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Auffallend viele, im Kern gute Nachrichten zur Umweltfrage fallen in diesen Tagen zusammen: Es war der heißeste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert, und es hieß dies war menschlich verursacht; die Nachricht vom Durchbruch bei den Verhandlungen zur Vorbereitung des im November anstehenden Weltklimagipfels in Paris; die Nachricht von neuen Klimagesetzen in Frankreich und Italien, die bislang nicht als Vorreiter glänzten.

Möglicherweise steht ein Durchbruch in der Klima- und Umweltfrage bevor. Bis es soweit ist, sollten wir auf Nummer sicher gehen - und jeden Tag kleines Konkretes tun, das die Dinge zäh und beharrlich Schritt um Schritt voranbringt: Pflanzen für den Planeten.

2015 das wärmste Jahr aller Zeiten

Die US-Klimabehörde NOAA vermeldete am 21. Juli für 2015 den heißesten Juni aller Zeiten. Laut NOAA waren die ersten sechs Monate des Jahres 2015 die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen vor 135 Jahren, und 2015 wird das wärmste Jahr werden. Die amerikanische Klimabehörde schrieb diese Rekorde - für die USA, ihr Selbstverständnis und ihre Lebensstile keineswegs selbstverständlich - "auch" menschlicher Aktivität der Klimaveränderung zu.

Das kommt bei einer zwischen Liberalen und Konservativen so umstrittenen und daher in den USA bewußt "politisch neutralen" Institution einer kleinen Revolution gleich. Sie könnte dazu beitragen, das amerikanische Umweltbewußtsein zu fördern. Denn dieses kam im "Land der Tapferen und Freien" trotz jahrelanger Anstrengungen zum Beispiel von Ernst Ulrich von Weizsäcker zu kurz. Der ehemalige Präsident des Club of Rome und Dekan der Umweltwissenschaften an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara hatte versucht, "Best Practice"-Beispiele für Umweltschutz und Ressourceneffizienz zu setzen.

Umweltfrage im US-Wahlkampf bisher kein Thema

Die Umweltfrage spielt im beginnenden US-Wahlkampf bislang ganz bewußt keine Rolle, weil sie von den Wählern nach wie vor als "negatives" Thema empfunden wird, mit dem man sich in Zeiten von "fracking" und seiner Erweiterung in Umweltschutzgebiete nicht gern befasst. Das könnte sich aber unter dem Eindruck von Hitzewellen, Wasserknappheit und mutmasslich klimabedingten Umweltkatastrophen ändern.

Zeitgleich verkündete die französische Chefunterhändlerin Laurence Tubiana am 21. Juli einen "Durchbruch" bei der Vorbereitung des Klimagipfels 2015, der im November in Paris stattfindet. Die teilnehmenden Staaten seien informell in praktisch allen Punkten zu einer grundsätzlichen Übereinkunft gekommen, was den Weg zu einem erfolgreichen Gipfel mit bindenden Beschlüssen ebnen könnte. Beim Klimagipfel im Paris, dem - ebenfalls wegweisend - ein Jugend-Klimagipfel vorausgehen wird, sollen dauerhafte Maßnahmen beschlossen werden, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Zwei Tage spatter, am 23. Juli, beschloss die französische Nationalversammlung ein Energiewendegesetz, das durchaus Epoche machen könnte. Es sieht vor, den Energieverbrauch bis 2050 um die Hälfte zu senken, bis 2030 den Ausstoss von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 40% zu verringern, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 32% zu steigern und den fossiler Energien wie Erdöl um 30% zu reduzieren.

Deutschland und Frankreich Hand in Hand

Die Bedeutung dieses Gesetzes kann kaum überschätzt werden. Sie besteht darin, dass Deutschland als Teil der "kontinentalen Kernachse" Europas nun nicht mehr allein ist: beide "Achsenpartner" Deutschland und Frankreich gehen jetzt in der Energiewende Hand in Hand, was die europäische Klima- und Umweltagenda entscheidend stärken könnte.

Schließlich tut sich auch in den bislang eher passiven Südstaaten Europas Wichtiges. So hat das italienische Parlament bereits am 29. Mai das Umweltstrafrecht auf eine neue Grundlage gestellt: Verschmutzung ist nun in Italien Straftat. Dazu wurde in das Strafgesetzbuch als neue Klassifikation "Umweltkriminialität" aufgenommen.

Diese Art von Verbrechen kannte Italien bislang so nicht, weil sie nicht ausreichend formalisiert war und daher kaum ernsthaft geahndet wurde, obwohl das Land laut Regierung in den vergangenen Jahren im Schnitt 30.000 Umweltdelikte pro Jahr mit einem Schaden von mindestens 15 Milliarden Euro verzeichnete. Der neue Paragraph: "Straftaten gegen die Umwelt" schafft dem nun Abhilfe. Besonders richtungsweisend: Er stellt nicht nur aktive Verschmutzung, sondern auch passives Nichthandeln unter Strafe: etwa die unterlassene Sanierung oder Meldung sowie die Behinderung von Kontrollen.

Italien zieht Lehren aus Müllkatastrophe in Neapel

Damit zieht Italien die Lehren unter anderem aus der seit Jahren anhaltenden Müllkatastrophe in Neapel und deren Schäden für Bürger und Natur. Italien wurde vom Europäischen Gerichtshof für das Versagen bei der Müllentsorgung im Süden zu 20 Millionen Euro Strafe verurteilt und muss weiterhin an jedem Tag, an dem das Problem wieder auftritt, 120.000 Euro Strafe nach Brüssel zahlen. Obwohl Kritiker wie Andreas Riedl, Geschäftsführer des Südtiroler Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, bemängeln, das Gesetz schrecke nur ab und strafe, sorge damit aber nicht automatisch für eine "didaktische" Veränderung des Bewußtseins, ist das neue italienische Umweltstrafrecht ein Meilenstein für bisher hinterherhinkende Teile Europas.

Es könnte eine Signaleffekt für das größere Südeuropa, vielleicht sogar darüber hinaus in den Mittelmeerraum hinein haben und damit in bislang in Umweltfragen eher nachlässigen Gegenden für Nachahmung und Aufbruch sorgen.

Rechnet man zu alledem die verstärkten Bemühungen der chinesischen Regierung um Bewältigung der riesigen Umweltprobleme des Landes im Rahmen einer "ökosozialen Zivilisation" unter anderem in Kooperation mit europäischen Institutionen wie dem Club of Rome dazu, scheint insgesamt das Bewußtsein zur Klima- und Umweltfrage deutlich zu steigen – aber nicht aus plötzlichem Sinneswandel oder überschwänglichem Idealismus heraus, sondern in der Stimmung eines sehr pragmatischen Realismus und unter dem Druck der Verhältnisse. Die jüngsten Neuerungen sind begrenzte, aber wichtige Schritte. Trotzdem darf man sich keine großen Durchbrüche erwarten. Wer die positive Tendenz in seinem eigenen Lebenskreis und Handlungsraum direct und unmittelbar unterstützen will, kann konkrete, kleine, aber stetige Schritte aus der Zivilgesellschaft heraus setzen. Hier und jetzt handeln, und zwar unabhängig von jeder politischen Coleur, kann zum Beispiel heißen: Pflanzen für den Planeten – wie es die globale Jugend-Umweltschutzorganisation "Plant for the Planet" seit Jahren vormacht.

"Plant for the Planet" wurde vom deutschen Schüler Felix Finkbeiner 2007 gegründet, um Kinder und Jugendliche im Kampf gegen den Klimawandel zu mobilisieren. Zwar dürfen auch Erwachsene bei "Plant for the Planet" mitmachen: sie dürfen organisieren und das Sekretariat betreuen. Aber die handelnden Mitglieder sind nur Kinder und Jugendliche von 8 bis 21 Jahren aus aller Welt; mittlerweile in 180 Ländern weltweit. Das Besondere an "Plant for the Planet" ist, dass hier Kinder und Jugendliche aktiv nationenübergreifend zusammenarbeiten, um - so das Ziel - in jedem Land der Erde eine Million Bäume zu pflanzen, um die Luftqualität zu verbessern und das Klima langfristig zu stabilisieren.

"Plant for the Planet" bietet eine Kinder- und Jugendlichen-Akademie an, meist an Schulen und auf Einladung der Lehrer. Hat man einmal die Ausbildungsstätte für "Klimabotschafter" durchlaufen, wird man meist Mitglied von "Plant for the Planet". Jugendliche und Kinder kommen dort zusammen, nehmen an Vorträgen teil und besuchen Workshops.

Jedes Kind pflanzt dutzende Bäume

Inzwischen haben die Kinder zusammen weltweit tatsächlich eine enorme Zahl an Bäumen gepflanzt: viele Millionen sind es laut offizieller Zählung der Organisation weltweit. Dabei pflanzen die meisten Kinder nur einige dutzend Bäume, also eine eher überschaubare Zahl - aber sie erkennen, dass durch die gemeinsame Arbeit über die Zeit eine auf den ersten Blick unglaublich große Summe entstehen kann. Für seine Pflanzaktionen kauft "Plant for the Planet" mit Hilfe von Sponsoren, Politik und Regierungen Land in Staaten, in denen Umweltaktivismus besonders wichtig ist, darunter zuletzt etwa in Mexiko. Finanziert wird die Tätigkeit nicht nur durch Spenden, sondern auch durch Aktionen wie dem Verkauf von Fair-Trade-Schokolade.

Fazit? Der Trend in der Umwelt- und Klimafrage scheint im Jahr 2015 in die richtige Richtung zu gehen. Doch politische Massnahmen greifen stets nur zeitverzögert; und sie werden manchmal im Verlauf von Entwicklungsprozessen auch verwässert. Daher ist es gut, dass manche hier und jetzt im Kleinen, aber Konkreten handeln - und für den Planeten pflanzen. Diejenigen, die hier pflanzen und heute Kinder und Jugendliche sind, sind die Erwachsenen von morgen – eine neue Generation von Entscheidungsträgern, die mit der Umwelt- und Klimafrage aufgewachsen sind, und zwar nicht passiv und theoretisch, sondern aktiv und praktisch.

Plant for the Planet ist eine global tätige Jugend-Umweltschutzorganisation, die vom deutschen Schüler Felix Finkbeiner gegründet wurde und ihren Hauptsitz in Bayern hat.

Die Autoren
Ariane Benedikter, geboren 2000, ist seit 2009 Mitglied in der Jugend-Umweltschutzorganisation "Plant for the Planet" / Pflanze für den Planeten, seit 2012 ist sie Mitglied im "Global Board", 2013 war sie Vizepräsidentin. Sie hält Vorträge zur Umweltfrage in deutscher, italienischer und englischer Sprache und engagiert sich auch für Tierrechte. Ariane besucht eine Oberschule mit Schwerpunkt Musik in Bozen, Südtirol. Homepage: http://www.plant-for-the-planet.org/de/mitmachen/botschafter-fuer-klimagerechtigkeit/bariane.

Roland Benedikter forscht am Orfalea Zentrum für globale und internationale Studien der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, ist Senior Scholar des Council on Hemispheric Affairs Washington DC und Vollmitglied des Club of Rome. Kontakt: rolandbenedikter@yahoo.de.