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Politik auf kurze und lange Sicht

Von H. Braunsperger

Gastkommentare

Im Wahlkampf hat sich eine Konstellation ergeben, die grundsätzliche Überlegungen nahe legt. Mit dem provokant verkündeten Bündnis zwischen der auflagenstärksten Zeitung und Politik wurde politischer mit journalistischem Populismus in einen Topf geworfen. Ist es aber vergleichbar, wenn sich eine Zeitung und ein Politiker der breiten Masse hemmungslos in die Arme werfen?


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Bei einer Zeitung wird Tag für Tag darüber abgestimmt, ob sich der Leser mit ihr identifiziert. Eine hohe Auflage zeigt das journalistische Gespür des Zeitungsmachers an, sich in die Seele der Menschen hineinzuversetzen. Die Übereinstimmung wird mitunter durch besondere Kampagnen noch zusätzlich aufgeheizt. Kann aber dies der Weg einer sinnvollen Politik sein? Zugegeben, die Regel, alle paar Jahre zu wählen, verführt Politiker dazu, auf kurze Frist zu denken. Dies ist aber eine Crux der Demokratie, die gute Politik überspielen sollte. Denn grundsätzlich sollte ein Politiker auf lange Sicht denken und im Sinne des Ganzen über den Rand des Geschehens blicken, Visionen haben, erkennen, was die Zukunft verlangt. In diesem Sinn sollte Politik sich nicht nach der Masse, sondern nach meinungsbildenden Eliten mit Einsicht in den Kern der Probleme richten.

Demnach hätte ein wirklich guter Politiker über das Charisma zu verfügen, die Menschen zu zukunftsträchtigen Wegen zu überzeugen, auch wenn dies Anforderungen stellt. Oftmals wird dies sogar in sich einschließen, gewohnte Privilegien und ichsüchtige Wünsche zurückzustellen. Ein verantwortungsbewusster Politiker sollte den Menschen demnach vorangehen und ihnen nicht in billiger Weise entgegenkommen.

In einer Zeit des lang andauernden Wohlstands, in der auch der Staat einen größerer Spielraum zu haben scheint, werden hingegen zunehmend Wohltaten in Form von Wahlgeschenken verteilt - Politik wird kleinlicher. Eine ungewohnte inflationäre Anwandlung wurde im Wahlkampf zu einem Gottesgeschenk hochstilisiert, das an Stelle echter politischer Themen getreten ist. Dieser würdelose Wettlauf um Populismus hat dessen einziges Gegengewicht verblassen lassen - ob diese Plünderung des Staatshaushaltes auch tatsächlich verkraftbar ist.

Ein verantwortungsbewusster Politiker hat anderes zu leisten, als das Ergebnis von Meinungsumfragen zu befriedigen. Dies gilt gerade für unsere Zeit, wo viele Menschen bereits das Gefühl haben, der Scheitelpunkt des Wohlstands sei überschritten. Hier wäre einzuhaken und den Menschen klarzumachen, dass wir bereits im Paradies sind und unbefangener Genuss des Vorhandenen sinnvoller ist als der verkrampfte Wunsch nach immer mehr. Die Fähigkeit, den Menschen über diese Situation die Augen zu öffnen, sollte den wirklich guten Politiker kennzeichnen.

Hubert Braunsperger war Pressereferent der österreichischen

Finanzminister von Reinhard Kamitz (parteilos, 1952-1960) bis Stephan Koren (ÖVP, 1968-1970).