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Politik darf fast alles

Von Walter Hämmerle

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Politik und Recht eint ein spannungsgeladenes Verhältnis, bei dem die Politik am längeren Hebel sitzt. Theoretisch jedenfalls.


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Ja, dürfen’s denn das? Das ist eine der häufigsten Fragen in Bezug auf Politikerideen - irre und weniger wirre -, seit sich auch diese Branche verpflichtet fühlt, die bestehenden Gesetze einzuhalten. Also im Wesentlichen seit der Erfindung des Konstitutionalismus vor gut 200 Jahren. Sie dürfen - jedenfalls wenn sie können.

Recht und Politik verbindet, wie nicht erst die jüngsten und umstrittenen Vorschläge des Außenministers zeigen, eine konfliktreiche Beziehung, deren Dynamik sich daraus speist, dass Politiker nicht eher ruhen, bis sie sich das Recht passend gemacht haben. Zu diesem Zweck werden sie schließlich auch gewählt. Für die bloße Anwendung bestehender Regeln und Vorschriften ist schließlich die Verwaltung da. Dass auch die Regierung diesem Zweig zuzuschlagen ist, dürften mittlerweile sogar Minister verdrängt haben, und Journalisten sowieso. Wie sonst könnte sich jedes Antrittsinterview eines neuen Ressortchefs fast nur um die Frage drehen, was der/die Neue denn nun alles neu machen möchte. Die jüngste Regierungsumbildung bietet dafür aktuelles Anschauungsmaterial zuhauf.

So gesehen ist der Hinweis, der Vorschlag eines Politikers widerspreche geltendem Recht, weitgehend sinnbefreit. Das trifft schließlich auf fast alle neuen Ideen zu. Politik gestalten heißt, neues Recht zu setzen. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede, was die grundsätzliche Möglichkeit der praktischen Umsetzung angeht.

Es ist das eine, wenn eine ministerielle Verordnung genügt, um ein Vorhaben Wirklichkeit werden zu lassen, oder auch nur ein Gesetzesbeschluss mit einfacher Mehrheit; darüber verfügen Regierungen in der Regel ja im Parlament. Schwerer zu stemmen sind da schon Änderungswünsche in Verfassungsrang, die eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten verlangen; und einer politischen Herkulesaufgabe kommt es gleich, wenn es sich dabei um ein sogenanntes Bauprinzip der Bundesverfassung handelt, wozu in Österreich das demokratische, das rechtsstaatliche, das liberale, das bundesstaatliche, das gewaltenteilende und das republikanische Prinzip zählen: Wer an diesen rütteln will, muss zusätzlich auch noch grünes Licht vom Bundesvolk bei einer Volksabstimmung erhalten.

Und dann gibt es da noch internationale Abkommen, etwa die Genfer Flüchtlingskonvention. Theoretisch lassen sich auch solche Verträge ändern. Nur müssten halt sämtliche Vertragsstaaten geschlossen zustimmen. Nicht unmöglich, aber auch nicht besonders wahrscheinlich.

Selbstredend hat die Politik auch für diesen Fall eine entsprechende Handlungsanleitung entwickelt, die da lautet: bei politischer Opportunität die Selbstverpflichtungen einfach ignorieren. Zumal gerade internationale Abkommen mitunter an einem Mangel konkreter Sanktionsmechanismen leiden. Solche gibt es allerdings für die Europäischen Menschenrechtskonvention, über deren Einhaltung der Europäische Menschenrechtsgerichtshof wacht und die auch Teil des EU-Rechts ist. Einen Kläger braucht es aber schon.