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Politik der Abkühlung

Von Christian Rösner und Bernd Vasari

Politik
Nach dem Vorbild desitalienischen Trento wollen Grüne und FPÖ mehr innerstädtische Wasserflächen schaffen.

Grüne und FPÖ wollen im Kampf gegen die Hitze innerstädtisch unterirdische Bäche an die Oberfläche holen. Die SPÖ ist dagegen.


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Wien. Selten zuvor war der Klimawandel so deutlich spürbar wie in diesem Jahr. Waren es im Zeitraum 1981 bis 2010 durchschnittlich 15,2 Hitzetage pro Jahr, so sind es heuer bereits mehr als doppelt so viele. Einschließlich Mittwoch zählte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) Wien bereits 33 Hitzetage im Jahr 2015. Die meisten Experten gehen davon aus, dass die hohe Anzahl von Tagen mit Hitzeinseln, glühendem Asphalt und Tropennächten in Zukunft keine Ausnahme mehr sein werden.

Doch welche Maßnahmen müssen getroffen werden, damit die Bundeshauptstadt in den kommenden heißen Jahreszeiten nicht zum Glutofen verkommt? Die "Wiener Zeitung" hat sich bei den vier Landtags-Parteien SPÖ, FPÖ, ÖVP und Grüne umgehört.

Um die Hitzepunkte in der Stadt zu reduzieren, wollen die Grünen vorhandene Bäche, die wie etwa der Alserbach oder der Krottenbach unterirdisch im Kanal verlaufen, ausgraben und auf die Oberfläche holen. Rüdiger Maresch, Umweltsprecher der Grünen, verweist auf Städte wie Salzburg oder das italienische Trento, wo an der Oberfläche - künstliche - Bäche für Abkühlung sorgen. Auch die FPÖ schließt sich der grünen Forderung an. Vonseiten der SPÖ erteilt man dieser Idee allerdings eine Absage. Schicker: "Als Bewohner eines Hauses in der Alser Straße hätte man nicht viel Spaß damit, keine Straße, sondern den Alserbach vor der Tür zu haben."

Gratis Öffis an heißen Tagen

Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es ebenfalls unterschiedliche Meinungen. So können sich die Grünen im Gegensatz zur SPÖ Gratis-Fahrten an Hitzetagen vorstellen. Schicker: "Das Jahresticket ist so günstig, dass zusätzliche Ausnahmen nicht notwendig sind." Die ÖVP fordert den flächendeckenden Einsatz von klimatisierten Öffis.

Für mehr Trinkbrunnen in der Stadt sprechen sich ÖVP, FPÖ und Grüne aus. Die FPÖ ruft zusätzlich dazu auf, sich um Menschen, die besonders von der Hitze gefährdet sind, zu kümmern. Stefan Gotschacher, Sprecher des FPÖ-Klubs: "Im Rahmen der Nachbarschaftshilfe könnte man bei älteren Nachbarn anläuten und fragen, ob alles o.k. ist."

Ein weiterer Vorschlag der Grünen bezieht sich auf den heißen Asphalt an Hitzetagen. Um für Abkühlung zu sorgen, sollten die Straßen mit Donauwasser aufgespritzt werden. Das dafür notwendige Wasser soll mit Spritzwagen herbeigeführt werden, sagt Maresch.

Einig sind sich alle vier Parteien bei der Förderung von mehr Wand-, Hof- und Dachbegrünungen. Denn die dadurch mögliche Verdunstung von Regenwasser sorge für spürbare Abkühlung. ÖVP und FPÖ fordern die Stadtregierung auf mit gutem Beispiel voranzugehen und mit Begrünungen auf den öffentlichen Gebäuden zu beginnen. Auch aktuelle Bauvorhaben der Stadt Wien sollten begrünt werden, fordert die ÖVP. Die Partei schlägt zudem auch eine Förderung für private Hausbesitzer vor.

Weiters sprachen sich alle vier Parteien für mehr Schatten in der Stadt aus. Grüne, SPÖ und ÖVP sind für mehr Baumpflanzungen, die FPÖ kann sich hingegen Überdachungen vorstellen. Der Rückkehr der Allee-Bäume werde aber ohnehin vorangetrieben, sagt SPÖ-Klubchef Rudi Schicker.

"Passiert bereits alles"

"Passiert zum Teil bereits alles", meint man dazu auch in der Umweltabteilung Wien, der MA 22 und verweist auf die Urban-Heat-Island-Strategie der Stadt. Die naturnahe Gestaltung der Liesing etwa fördere Kaltluftströme - ein Beispiel für gewässerbegleitende Grünräume, wie MA-22-Leiterin Karin Büchl-Krammerstätter der "Wiener Zeitung" erklärte. Allerdings sei das Regenwassermanagement der Stadt viel effizienter, als bloß Bäche zu öffnen, meint die Expertin: Vor allem gehe es darum, versiegelte Flächen wieder aufzumachen, sodass Regenwasser einsickern und verdunsten könne, anstatt direkt im Kanal zu landen. Das sorge für die gewünschte Abkühlung.

Baumpflanzungen würden ohnehin bei allen Neugestaltungen strategisch umgesetzt: nämlich immer auf der östlichen Straßenseite, da sich in Nord-Süd-orientierten Straßen die nach Westen orientierten Fassaden im Tagesverlauf am meisten aufheizen würden. Bei breiteren Straßen empfehle sich eine Mittel-Allee (zwei Baumreihen mit Fußweg in der Mitte). Wie beispielsweise in der Meidlinger Oswaldgasse. Für Straßen, die in Ost-West-Richtung verlaufen, würden Baumreihen an der nördlichen Straßenseite umgesetzt - um die Südfassaden zu beschatten.

Gründach-Potenzial-Kataster

Als Beispiele für bereits umgesetzte Fassadenbegrünungen nennt man bei der Umweltschutzabteilung einmal mehr die MA-48-Zentrale am Margaretengürtel, das Amtshaus Margareten oder den Innenhof der Bezirksvorstehung Hernals. Was die Dachbegrünungen anbelangt, verweist man bei der MA 22 auf eine Neuregelung bei Widmungsverfahren: Demnach müssen bereits alle Dächer mit einer Neigung von weniger als 15 Grad verpflichtend begrünt werden. "Es gibt sogar einen eigenen Gründach-Potenzial-Kataster - eine Wien-Karte, die zeigt, welche Gebäude in Wien für eine Begrünung geeignet wären", so ein Sprecher der Umweltschutzabteilung. Auch die Beschattung von gebäudefernen Freiflächen - wie etwas am Urban-Loritz-Platz am Gürtel - würden zur Hitzereduktion führen.

Donauwasser auf die Straßen zu spritzen, hält die MA-22-Chefin nicht für sinnvoll: "Das müsste man ja irgendwie dorthin bringen. Und wenn man das mit Lkw macht, dann halte ich das angesichts der erhöhten Ozon-Werte an heißen Tagen für problematisch", so Büchl-Krammerstätter. Immerhin seien die Grenzwerte in der vergangenen Woche täglich überschritten worden. Ein Umstand, der im Übrigen in diesem Sommer öffentlich noch nicht thematisiert wurde.

Der Urban Heat Strategieplan Wien (UHI STRAT Wien) wurde unter Federführung der Wiener Umweltschutzabteilung MA 22 erarbeitet, um einerseits auf diese Thematik aufmerksam zu machen und gleichzeitig auf mehreren Ebenen konkrete Schritte zur Verbesserung des lokalen Stadtklimas zu setzen. Rund 90 Maßnahmen werden im UHI STRAT beschrieben und Wirkungen, Synergien und Herausforderungen bei der Umsetzung dargestellt.

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