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Seit vier Wochen streiken Österreichs Studenten, und langsam, aber sicher entfachen die Proteste ein internationales Lauffeuer, das jeder erhoffte, aber kaum jemand erwartete. Wenn man zu den Besetzern des Audimax gehört oder auch nur mit ihnen spricht, spürt man, dass diese Sache groß ist. Vielleicht sogar um einiges größer, als es auf den ersten Blick scheint.
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Und doch - noch immer gibt es unzählige Menschen, darunter auch zahlreiche Studierende, die nicht genau verstehen, worum es bei den Protesten und Besetzungen eigentlich geht. Dabei liegen die Themen der Bewegung klar auf der Hand: Es geht um Recht und um Verantwortung; und um Privilegien, die keine sein dürften.
Wissen ist Macht. Das zumindest wird immer und immer wieder gesagt. Wissen ist aber nur ein kleiner Teil eines viel größeren Komplexes - der Bildung. Bildung, das sagt schon der Name, bildet den Menschen, sie formt ihn und verleiht ihm Tiefe. Ohne sie gibt es keine großen Denker, keine großen Forscher, keine großen Politiker. Kurz gesagt - ohne sie geht es nicht. Aber Bildung kann man sich nicht kaufen. Man kann sie nicht von Bäumen pflücken, sie springt einem auch nicht einfach so in den Kopf. Sie ist - das ist Tatsache - verbunden mit Disziplin und jahrelanger Arbeit. Genau das ist der Knackpunkt, um den es bei den Protestbewegungen weltweit geht. Die Studenten kämpfen nicht für ein Leben in Faulheit, versüßt durch wilde Partys und staatliche Förderungen, sondern für ihr Recht, an sich selbst und der Gesellschaft zu arbeiten.
Die Bildungspolitik, deren Arbeit es wäre, dieses Recht zu sichern, hat über Jahrzehnte hinweg immer wieder falsche Entscheidungen getroffen und an allen Fronten, so scheint es, gegen jene gekämpft, für die sie verantwortlich wäre. Das mag teilweise daran liegen, dass hochrangige Politiker für das ihnen zugewiesene Ressort nicht die nötigen Qualifikationen mitbringen. Das größte Problem besteht jedoch darin, dass die Mehrheit der heutigen Spitzenpolitiker verlernt hat, auf die Schwingungen im Land zu achten und darauf zu reagieren. Politik wird immer mehr zum Privileg, und das Volk sieht ehrfurchtsvoll zum Parlament. Die Leute vergessen, dass Österreich eine Demokratie ist - und in einer Demokratie regiert das Volk. Die Regierung - das sind unsere gewählten Vertreter. Politik ist kein Privileg, sondern Verantwortung.
Auch Bildung ist - selbst, wenn mir in diesem Punkt einige Leute widersprechen werden - kein Privileg. Bildung ist eine Verpflichtung, die es wahrzunehmen gilt. Sie bietet eine der wenigen Möglichkeiten, nur durch Arbeit an sich und an seiner Umwelt, ohne Gewalt oder Zwänge, eine aufgeklärte (und bessere) Gesellschaft zu formen. Bildung ist Recht und Verantwortung. Wer sie Privileg nennt, hat sie nicht verstanden.
Eva-Maria Kügerl (19) studiert Deutsche Philologie (Bachelor) an der Uni Wien. Innerhalb des Studentenprotestes arbeitet sie in der Morgen-Redaktion mit.