Live-Streams von Gemeinderats- und Landtagssitzungen. | Plattform wehrt sich, weil Kärntner Landtag Übertragung ausgesetzt hat. | Linz. Viele Staatsbürger verfolgen politische Anträge, Ausschüsse und Debatten - ob auf der Galerie im Parlament, Landtag, Rathaus oder im Fernsehen. In den vergangenen Jahren hat die Politik auch zunehmend das Internet für die Übertragung ihrer öffentlichen Sitzungen entdeckt: Viele Gemeinden und Länder zeigen Live-Streams, archivieren Budgetreden und Fragestunden.
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Andere wollen sich hingegen an der neuen Transparenz nicht beteiligen. Seit der Novelle des ORF-Gesetzes werden die öffentlichen Sitzungen nicht mehr im ORF als Live-Stream gezeigt. Die Landtage müssen sich um eine Ausstrahlung selbst kümmern, und auch zahlreiche Gemeinden starten Pilotversuche.
Am Anfang "gesitteter"
"Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass heute eine Premiere stattfindet. Zum ersten Mal wird diese Sitzung ins Netz gestellt und übertragen", erklärte der Linzer Bürgermeister Franz Dobusch bei der Gemeinderatssitzung am 16. Dezember 2010. Er betonte dies auch in Richtung "kreativer Gemeinderäte, die sich während Wortmeldungen äußern". Politik unter Beobachtung der Internetgemeinde bedeutet auch Umstellung für die Volksvertreter, tatsächlich seien die Gemeinderäte "am Anfang gesitteter als sonst" gewesen, erzählt der grüne Gemeinderat Severin Mayr der "Wiener Zeitung": "In den ersten Stunden gab es weniger Zwischenrufe, anfangs waren alle sehr zurückhaltend". Später hätte sich die Stimmung wieder "normalisiert". Während die SPÖ der Live-Übertragung skeptisch gegenüberstand, hätten ÖVP und Grüne das Projekt unterstützt, meint Mayr.
Nach dem Pilotversuch im Dezember 2010 wird die Übertragung nun bis Mai ausgesetzt und das Projekt evaluiert - man wolle die Kosten und technische Verbesserungen prüfen, heißt es von Seiten der Stadt. 1236 IP-Adressen verfolgten die Budgetsitzung, die nun auch archiviert ist. 8500 Euro kostete das Pilotprojekt, darunter waren aber auch Investitionen und Einmalkosten, später werde die Übertragung billiger.
Kostengründe hielten die Stadt Graz bisher von einer Live-Übertragung ihrer öffentlichen Sitzungen ab. Es habe zwar Überlegungen gegeben, aber keine konkrete Absicht, heißt es. Man berichte aktuell mit Zusammenfassungen aus dem Landtag, Live-Streams seien durch die großen Datenmengen jedoch sehr aufwendig, vor allem "wenn dann alle Regierungsbüros die Sitzung schauen." Die Sitzungen des steirischen Landtags werden allerdings live übertragen.
In Wien zeigte man den ersten Live-Stream einer öffentlichen Sitzung im Juni 2000, die nächste Gemeinderatssitzung ist am 25. Februar zu verfolgen. Einen gut besuchten Landtag oder Gemeinderat würden über den Tag etwa 1000 bis 2000 Menschen im Internet ansehen, erklärt Michael Rederer, Leiter von wien.at online. Die Liveschaltung koste 200 Euro pro Stunde, derzeit gibt es die Sitzungen nur als Live-Stream und schriftliches Protokoll zu verfolgen, eine archivierte Form der Video-Aufzeichnung existiert noch nicht. "Dass man mit dem Archiv etwas anfangen kann, ist mit Aufwand verbunden. Ein On-demand-Angebot müsste aus unserer Sicht redaktionell aufgearbeitet werden, sonst sind es einfach Rohdaten, in denen man herumstochern muss", erklärt Rederer. "Wenn darüber Einigung in den Klubs besteht, freuen wir uns, wenn wir das auch anbieten können."
Petition für Live-Stream
Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, die Steiermark, Niederösterreich und Wien zeigen Live-Übertragungen ihrer Landtagssitzungen, nur im Burgenland und in Kärnten ist das derzeit nicht der Fall. Wer die Sitzungen verfolgen will, muss sich vor Ort auf die Galerie bemühen. "Das können meist nur Pensionisten oder arbeitslose Menschen", erklärt Georg Holzer, Journalist, IT-Berater und Initiator der Plattform ohneuns.at. Der Kärntner fordert mit seiner Petition mehr Live-Streams aus öffentlichen Sitzungen politischer Gremien und mehr Transparenz.
Nachdem die Sitzungen des Kärntner Landtages seit der bereits erwähnten Novelle des ORF-Gesetzes gar nicht mehr live gezeigt werden, habe er "mehrmals versucht, Hilfe anzubieten - auch kostenlos. Sie wurde nicht angenommen." Es sei das Normalste der Welt, bei einer demokratischen Sitzung dabei zu sein. "In Kärnten wird Verweigerung betrieben", sagt Holzer.
Seine Petition haben bisher 259 Personen unterschrieben, das Interesse für Live-Streams sei aber größer: "Bei übertragenen Landtagssitzungen haben im Durchschnitt 1950 Kärntner zugeschaut." Die nächste Sitzung im Februar wird voraussichtlich ohne Live-Stream stattfinden.
"Ohne unsere Aktion wäre es leicht gewesen, einfach auf den Stream zu verzichten. Jetzt gibt es Erklärungsbedarf", meint Holzer. Die Politik habe Interesse, "vieles im stillen Kämmerlein zu machen", die Bevölkerung habe aber ein Recht, die demokratischen Prozesse zu verfolgen, "die Abgeordneten sind im Prinzip unsere Angestellten".
Mehr Live-Übertragung würde zu einem Umdenken führen, das in zwei Richtungen gehen kann: "Es gäbe entweder Dauerwahlkampf oder aber mehr Disziplin." Holzer will mit seiner Plattform aufrütteln: "Politik darf nicht ohne uns passieren."