Was die Neuen wollen und wer sie sind.
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Wien. Der Wahlkampf ist vorbei, Österreich hat entschieden. Jetzt wird das Parlament neu besetzt. Für eine politische Überraschung sorgten in den letzten Tagen nicht nur die Neos, die es bei ihrer ersten Kandidatur mit Anhieb in den Nationalrat geschafft haben. Auch die SPÖ und die ÖVP sorgen für Gesprächsstoff. Nicht auf Grund eines atemberaubenden Wahlerfolges, sondern weil sie erstmals Personen aus ihren Reihen mit Migrationshintergrund ins Hohe Haus entsenden.
Auch die Grünen tun das, nur ist das bei ihnen nichts Neues. Seit 2008 hat die gebürtige Türkin und Politikwissenschafterin Alev Korun ein Mandat im Parlament inne. Die Neos schicken eine Kärntner Slowenin ins Rennen, die SPÖ eine Türkin aus Ottakring, die ÖVP einen Sohn marokkanischer Eltern und die Grünen eine kurdischstämmige Tirolerin. Wieso wird das nun breit diskutiert? Fühlen sich die neuen Abgeordneten als Quoten-Migranten? Und viel wichtiger: welche Themen wollen sie in den Nationalrat einbringen? Die "Wiener Zeitung" hat mit ihnen gesprochen.
Nurten Yilmaz setzt auf ihre Kompetenz
Nurten Yilmaz macht Politik. Seit Anfang der 90er-Jahre war sie in verschiedenen Organisationen und Initiativen der SPÖ tätig. Seit 2007 ist sie Vorsitzende des Gemeinderatsausschusses für Integration, Frauenfragen, Konsumentenschutz und Personal. Außerdem ist sie Mitglied des Unterausschusses für Wahlrecht.
Diesen Herbst wird sie als erste türkisch-stämmige Nationalratsabgeordnete für die SPÖ ins Parlament einziehen. Sie lebt seit ihrem neunten Lebensjahr in Österreich. "Ich bin nicht Listen-Erste in Ottakring für den Wahlkreis geworden, weil ich Nurten Yilmaz heiße und woanders geboren bin. Sondern auf Grund meiner Kompetenzen, die ich mir in meiner ganzen politischen Laufbahn angeeignet habe ", stellt die 56-Jährige klar. Sie will nicht die Quoten-Migrantin sein. Wichtig sei ihr eine gewisse Vielfalt im Parlament jedoch schon: "Die Bevölkerung sollte sich natürlich im Parlament, in demokratischen Institutionen unseres Landes wiederspiegeln. Egal, ob das jetzt im Bezirksparlament, in den Landtagen oder in den Gemeinderäten ist. Es ist immer gut für ein Land, wenn sich die Bevölkerung dort findet".
Eine Quote für Personen mit Migrationshintergrund im Nationalrat hält sie dennoch nicht für sinnvoll: "Eine Quote soll es nur für Frauen geben. Weil man von der Geburt bis zur Bahre eine Frau bleibt und immer und überall fast den gleichen Diskriminierungen ausgesetzt ist. Ein Migrant ist man nicht ein Leben lang, irgendwann muss das aufhören", so Yilmaz.
Im Nationalrat wolle sie sich vor allem für die Bildungs- und Frauenpolitik sowie für das Zusammenleben engagieren: "Frauenpolitik hat mich sehr geprägt und mir auch in meiner Arbeit als Integrationssprecherin der Wiener SPÖ sehr viel geholfen. Weil die Integrationspolitik sehr viel von der Frauenpolitik lernen kann". Ihre Kompetenz der Mehrsprachigkeit und dass sie sich in verschiedenen Kulturen auskennt, bezeichnet Yilmaz als eine "Zusatzkompetenz". "Aber das ist nicht die einzige", so Yilmaz.
Asdin El Habbassi "lehnt Kategorisierungen ab"
Für die Volkspartei zieht der Landesobmann der Jungen ÖVP Salzburg, Asdin El Habbassi, in den Nationalrat. Der 26-Jährige ist damit der erste Moslem in den Reihen der Volkspartei. Bevor er in der ÖVP Karriere machte, war er als Landesschulsprecher und Landesobmann der Salzburger Schülerunion tätig. Sein Vater kommt aus Marokko, er selbst ist gebürtiger Salzburger und will keine Sonderbehandlung aufgrund seines Glaubens oder der Herkunft seines Vaters: "Ich lehne diese Kategorisierung ab. Ich glaube, dass das gestrig ist. Ich bin Österreicher, wie alle anderen Kandidaten auch".
Eine Quoten-Kultur im Parlament für Politiker verschiedener Ethnien und Glaubensrichtungen hält El Habbassi für "nicht zielführend". "Ich glaube, das müsste doch völlig egal sein, wo jemand Wurzeln hat oder welchen Glauben er hat. Es soll darum gehen, welche Inhalte jemand vertritt und wofür jemand einsteht", meint El Habbassi. Auch innerhalb der ÖVP habe sein Glaube oder seine Wurzeln nie eine Rolle gespielt: "Bis auf die Kritik von Frau Stenzel war das eigentlich nie Thema. Weil das auch für mich kein Thema war. Ich trage das jetzt nicht im Bauchladen vor mir herum. Ich mache Politik für die die junge Generation und da hat das nie eine Rolle gespielt, woher mein Vater ist".
El Habbassi ist der Meinung, dass das auch die Wählerschaft so sieht: "Ich glaube, die Leute wollen Menschen, die sich ganz normal in den Gremien und ihren Aufgaben bewiesen haben und die Politik für die Menschen in Österreich machen. Und da ist es glaube ich relativ egal, welches Geschlecht, welche Hautfarbe oder welchen Glauben jemand hat". Sein Thema Nummer eins, bei dem El Habbassi im Nationalrat mitreden will, sei die Bildungspolitik. "Ich glaube, dass wir da einfach einen riesigen Bedarf haben", sagt er.
Aygül Berivan Aslan ist für Durchmischung im Parlament
Von der Seite der Grünen hat es die kurdisch-stämmige Tirolerin Aygül Berivan Aslan in den Nationalrat geschafft. Die Juristin und Menschenrechtsaktivistin kam im Alter von fünf Jahren nach Österreich. Sie steht zu ihrer Identität und befürwortet eine ethnische und religiöse Durchmischung im Parlament: "Ich denke, wenn man will, dass die Demokratie wirklich gelebt wird, dann sollten aus jeder Gruppierung auch Menschen dabei sein. Weil nur so kann eine Demokratie funktionieren".
Derzeit sei das Parlament ihrer Meinung nach "eintönig besetzt". "Quoten-Migrantin" wolle sie aber dennoch keine sein: "Diese Migrantenquote ist für mich eine Art von primitiver, veralteter Politik". Vielmehr will sie anderen Kurden Mut machen: "Leider Gottes gibt es in Österreich immer noch Menschen, die nicht zu ihrer Identität stehen. Viele Migranten ändern ihre Namen und viele Kurden trauen sich nicht zu sagen, dass sie Kurden sind. Für mich ist es wichtig, dass ich den anderen Menschen Mut mache, auch wenn sie die Minderheit der Minderheit sind".
Auch thematisch wolle sie nicht in den Integrationsbereich gedrängt werden: "Die Menschen sollen nicht das Gefühl haben, dass ich, nur weil ich einen anderen Namen habe, jetzt nur den Integrationsbereich übernehme. Migranten haben auch andere Kompetenzen als nur Integrationsarbeit", so die 31-Jährige. Durch ihre jahrelange Tätigkeit als Rechts-und Sozialberaterin fühle sie sich vor allem in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, aber auch in Frauen- und Familienfragen zuhause. "Ich bin aber auch offen für andere Bereiche wie zum Beispiel Außen- oder Konsumentenpolitik", zeigt sich Aslan motiviert.
Sie hat es also geschafft, sie darf mitreden. Doch was ist mit anderen Kandidaten aus Minderheiten-Communities? Befinden sich deren Nahmen nur zum Wählerfang auf den Partei-Listen? "Die Parteien wissen jetzt auch, wie viele Migrantenstimmen es in Österreich gibt und viele versuchen natürlich, davon zu profitieren. Aber das kommt mir alles nicht so ganz ehrlich vor. Weil wenn ich wirklich will, dass ein Migrant in den Nationalrat kommt, dann stell ich diese Leute nicht auf einen nicht-wählbaren Platz".
Angelika Mlinar ist seit ihrer Jugend politisch engagiert
Für die Überraschungs-Partei Neos wird Angelika Mlinar ins Parlament einziehen. Sie ist Bundessprecherin des Liberalen Forums, außerdem war sie einst als Assistentin von Friedhelm Frischenschlager im EU-Parlament tätig. Ihre Identität als Kärntner Slowenin ist der 43-Jährigen wichtig: "Für mich spielt das eine große Rolle, denn ich bin natürlich als Kärntner Slowenin grundsätzlich politisch sozialisiert. Wir Kärntner Slowenen sind viel politischer als der Rest meiner anderen Freunde in Kärnten", meint Mlinar.
Schon in jungen Jahren habe sie sich für die slowenische katholische Jugend engagiert. Außerdem sei sie Vorsitzende der jungen Enotna Lista (EL) gewesen, das ist die Partei der Kärntner Slowenen. Einen Mix aus Abgeordneten mit unterschiedlichen ethnischen und religiösen Hintergründen würde sie begrüßen: "Ich glaube sehr wohl, dass es das braucht. Weil das auch ein Zeichen für so etwas wie soziale Mobilität ist. Es ist sehr wichtig, dass die Zusammensetzung der Gesellschaft auch durch das Parlament in einer gewissen Form wiedergespiegelt wird. Weil das einfach die Realität ist, in der wir in Österreich leben. Es ist schon wichtig, dass Menschen sämtlicher Hintergründe auch tatsächlich aktiv an ihren Lebensverhältnissen teilnehmen. Ein Ausdruck dessen ist natürlich die politische Partizipation".
Sie selbst wolle sich im Nationalrat vor allem für eine Bildungs- und Pensionsreform sowie für das Thema Steuern einsetzen. Doch auch mit den Österreichischen Volksgruppen gäbe es schon einen konkreten Gesprächstermin: "Ich werde mir anhören, was ihre konkreten Wünsche und Prioritäten sind. Von den Kärntner Slowenen weiß ich es ja. Wenn der Wunsch besteht, möchte ich mich durchaus gerne auch in dieser Hinsicht einbringen".