Der Volksmund wirft Politiker gerne alle in einen Topf. Zu Unrecht! Es gibt nämlich große Unterschiede.
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Wollte man eine Phänomenologie unserer Volksvertreter entwerfen, müsste man zumindest drei Grundmuster unterscheiden: Intellektuelle, Urgesteine und Technokraten.
Intellektuelle haben generell, das ist ihr Pech, seit den 1970ern eine ungünstige Großwetterlage. Seit damals begaben sich sämtliche Mustermodelle gesellschaftlicher Leitfiguren in die Klauen von Wirtschaft und Finanzwelt. Und mit Geld lässt sich ein richtiger Intellektueller bekanntlich nicht locken. Von Parteien offenbar auch nicht allzu gern. Wohl nicht zuletzt deshalb erklingt in regelmäßigen Abständen das Klagelied vom niveaumäßigen Niedergang der heimischen Politik. Die Skepsis der Parteien ist dabei nur zu verständlich, lassen sich mit Intellektuellen doch in der Regel keine Wahlen gewinnen. Bruno Kreisky zählt als Ausnahme nur bedingt, vereinigte er doch auch sämtliche Attribute eines gewieften Populisten und Taktikers, wenn es die Situation erforderte.
Zwar gewann auch "Nudelaug" Erhard Busek der Bürger Stimmen, solange er im grauen Wien der 1980er bunte Vögel flattern ließ; als ÖVP-Bundesobmann wirkte der Blitzgescheite aus dem Wasserkopf aber eher befremdend auf die ländlichen Kernschichten der Volkspartei. Sein Dilemma war ihm selbst bewusst. Und so gab er seinem Nachfolger den legendären Rat: "Nur ned zu gscheit sein, Wolfgang, des mögen die Leute nicht."
Doch auch dieser, Schüssel mit Nachnamen, beherzigte den Rat herzlich wenig. Zwar zog er, als Meistertaktiker gefeiert und angefeindet, als Dritter ins Kanzlerbüro am Ballhausplatz ein und feierte 2002 - Cello spielend auf den Wahlplakaten - einen fulminanten Wahlsieg; der Status eines Sonnenkönigs blieb ihm trotz gelegentlicher Philosophenrunden dennoch verwehrt; zu kühl, zu herzlos, zu zielorientiert lautete das öffentliche Verdikt.
Immerhin konnte er das Bundeskanzleramt 2007 einem Geistesverwandten als Nachmieter übergeben: Alfred Gusenbauer ahnte zwar, dass das Geheimnis langen Machterhalts in der Verbindung von Geist und Bauch liegt, weshalb er sich als Genussmenschen und U-Bahn fahrenden Rapid-Fan inszenierte, während er die Wege im Gehen unter Zuhilfenahme spanischer Dichter entstehen lassen wollte. Aber Gusenbauer hätte dennoch besser auf Busek hören sollen; so musste sich der letzte Intellektuelle aus der ersten Reihe der österreichischen Politik bereits 2008 wieder zurückziehen.
Und was ist mit Heinz Fischer? Nun, der Bundespräsident erfüllt als habilitierter Universitätsprofessor ganz zweifellos die formalen Kriterien zum Geistesmenschen; was ihm mangelt, ist der unwiderstehliche Drang, die eigenen Leute mit unbequemen Querschüssen - und am liebsten zur Unzeit - zur Weißglut zur treiben. Wer diese Fähigkeit nicht im Schlaf beherrscht, taugt nicht zum politischen Intellektuellen.
Aus der Ministerriege käme für die Rolle habituell eigentlich nur noch Wissenschaftsminister Johannes Hahn in Frage, immerhin promovierter Philosoph und Bartträger - in diesen glattrasierten Zeichen durchaus ein mutiges Modebekenntnis. Dagegen spricht seine berufliche Karriere als Manager eines Glücksspielkonzerns und dass er sich, als später Erbe Erhard Buseks, als Wiener ÖVP-Chef einen erdigen Tiroler als Landesgeschäftsführer geholt hat.
Bleibt also nur Kurt Flecker. Der versteht es tatsächlich meisterhaft, seine Parteifreunde in der Bundes-SPÖ auf die Palme zu bringen. Eben erst mit einer unverhohlenen Rücktrittsaufforderung an Kanzler Werner Faymann. Was seinen Anspruch allerdings schmälert: Die Steirer haben durchaus eine Tradition, der eigenen Bundespartei gegen das Schienbein zu treten, man erinnere sich nur an die Krainer-ÖVP. Zum letzten Intellektuellen in Österreichs Parteienlandschaft würde Flecker also erst geadelt, wenn sich seine kecken Reden gegen den eigenen Chef und Landeshauptmann Franz Voves richten. Das scheint für Flecker aber derzeit noch ein zu heißes Eisen. Wahrscheinlich hören wir solche Töne erst aus der Politikpension . . .
Über Urgesteine und Technokraten an dieser Stelle in der nächsten Woche.