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Politiker-Typologie Teil II - Urgesteine

Von Walter Hämmerle

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Von wegen Politiker seien alle gleich: Nach den Intellektuellen heute erneut eine vom Aus bedrohte Art.


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Einige der schönsten Begriffe verdanken ihre Existenz einem Trugschluss. Urgestein ist ein gutes Beispiel.

Das Wort entstammt der Geologie, die im 18. und

19. Jahrhundert noch davon ausging, dass aus dem am Anfang der Erde entstandenen Urgestein die anderen Gesteinsarten durch Metamorphose entstanden seien. Die These erwies sich allerdings als wissenschaftlich unhaltbar, weshalb der Begriff heute in der geologischen Fachsprache weitgehend vermieden wird. Wer hängt schon gerne begrifflich an falschen Konzepten?

In der Politik dagegen sind die Urgesteine nach wie vor vertreten, wenn auch in dramatisch schwindender Form, weshalb immer ein bisschen Wehmut und Hochachtung mitschwingt, wenn von ihnen die Rede ist. Aber die politische Evolution macht eben auch vor diesen Dinosauriern des Politikbetriebs nicht Halt.

Polit-Urgesteine sind quasi lebende Fossilien, die von einer wenn schon nicht besseren, so doch einfacheren Vergangenheit Zeugnis ablegen. Zudem taugt nur zum Urgestein, wer noch nie die Welt von außerhalb des Politikbetriebs gesehen hat - die umfassende Sozialisation in der milieubedingten Subkultur verleiht den typischen Stallgeruch.

Heute kann man die Urgesteine in den Parteien an einer Hand abzählen. Das mag damit zusammenhängen, dass man erst in dieser Kategorie firmiert, wenn man die Altersgrenze fürs Berufsleben überschritten hat. Meistens sind es daher die Medien, die sich ihrer erinnern und sie um Wortspenden zur Gegenwart ersuchen. In den eigenen Reihen werden sie dagegen nur noch zu diversen feierlichen Anlässen und Jubiläen vor den Vorhang geholt.

Auf roter Seite sind die Gewerkschafter jener Stoff, aus dem die Unzeitgemäßen bestehen. Der einstige Metaller-Chef Rudolf Nürnberger gehört dazu; er verweigerte 1999 seine Unterschrift unter den rot-schwarzen Koalitionspakt. Auch Hans Sallmutter, als Chef der Privatangestellten-Gewerkschaft Nürnbergers ewiger innerfraktioneller Konkurrent, weist alle Attribute auf. Zu nennen wäre wohl auch noch Johann Hatzl, einst mächtiger Wiener Stadtrat und zuletzt Gemeinderatsvorsitzender.

Nicht zum Urgestein taugt Ex-Innenminister Karl "Charly" Blecha. Dazu war der Chef des Pensionistenverbands, der mit ÖVP-Pendant Andreas Khol ein schlagkräftiges Duo bildet, stets zu lebenslustig, auch zu flexibel im Angesicht neuer Zeiten. Für Blecha hat sich irgendwann der Begriff des "alten Schlachtrosses" durchgesetzt. Ein Urgestein, das auf sich hält, begegnet dem Wandel der Zeit nämlich mit aufrichtiger Verachtung.

Allein das schließt übrigens schon Khol als Kandidat für dieses Prädikat aus: Wer die Wahrheit zur Tochter der Zeit erklärt, dem fehlt es an notwendiger Prinzipientreue.

Auf schwarzer Seite sind Urgesteine überhaupt dünn gesät, was mit der sprichwörtlichen Gesinnungslosigkeit zusammenhängen mag, die der Klassenfeind der Bourgeoisie gerne attestiert. Ad hoc fallen einem eigentlich nur Robert Lichal und Fritz Neugebauer ein. Kein Wunder, dass beide der Christgewerkschaft entstammen.

Die Gnade der späten Gründung beschert den Grünen eine erkleckliche Anzahl an Urgesteinen - und wohl auch die einzige weibliche Variante - Freda Meissner-Blau, auf die aber auch das Attribut Grande Dame gut passt. Ansonsten tummeln sich an grünen Fossilien Kaspanaze Simma, der legendäre Bauer aus dem Bregenzerwald, Andreas Wabl und der kürzlich abmontierte EU-Mandatar Johannes Voggenhuber. Bei Peter Pilz dagegen vergisst man den heiligen Ernst bei der politischen Sache.

Unter Freiheitlichen wiederum fällt es schwer, auf ungebrochene Biografien zu stoßen. Im dritten Lager hatten lange Karrieren aufgrund der regelmäßigen Umstürze schlichtweg keine Chance.

Nächste Woche die Krönung der Politiker-Typen: die Technokraten.