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Politikerbezüge: Geiz ist nicht geil

Von Christian Ortner

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Christian Ortner.

Als Politiker für das Einfrieren der Politikergehälter zu plädieren, bringt billigen Applaus. Doch Österreich braucht bessere, nicht billigere Politiker.


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Mit seiner Forderung, die Politiker mögen doch bitte ein sechstes Jahr in Folge auf eine Anhebung ihrer Bezüge verzichten, beweist Wiens Bürgermeister Michael Häupl eines: seine intakte Fähigkeit, die Stimmung der Bevölkerung zu wittern und für sich politisch urbar zu machen. Vermutlich denken gefühlte 120 Prozent der Wiener Wahlberechtigten, was Häupl ausspricht.

Dass "die Politiker" überbezahlt sind, gilt völlig unabhängig von der politischen Präferenz der Wähler als ebenso unumstößliche Wahrheit wie der Kugelcharakter der Erde. Tatsächlich hat Österreich in diesem Kontext freilich ein ganz anderes Problem als das von Häupl unterstellte. Nicht dass die Politiker überbezahlt sind, ist beklagenswert, sondern dass sie in vielen - wenn auch sicher nicht allen - Fällen keine Leistung erbringen, die ihrem Gehalt angemessen wäre.

Österreich braucht deswegen nicht billigere, sondern bessere Politiker (die dann durchaus mehr verdienen dürfen). Dazu gehört etwa die biografisch belegte Fähigkeit, unter Wettbewerbsbedingungen ein dem Politikerbezug vergleichbares Markteinkommen zu erzielen; dazu gehören eine berufliche Minimalqualifikation jenseits des Faches "Parteiintrige", eine gewisse sittliche Reife und auch die Fähigkeit, sich öffentlich so zu artikulieren, dass allfällige Zuhörer sich nicht sofort fremdschämen.

In all diesen Disziplinen besteht bei ziemlich vielen heimischen Politikern erheblicher Optimierungsbedarf; dass von den insgesamt 18 Ministern und Staatssekretären gerade einmal zwei im Berufsleben nennenswert Geld jenseits staatlicher und staatsnaher Sphären verdient haben, belegt das ebenso wie zahllose inhaltlich und rhetorisch mitleiderregende Auftritte von Parlamentariern. Wer je eine ganz normale Debatte im deutschen Bundestag verfolgt hat und die inhaltliche und rhetorische Qualität der Einlassung vieler Regierungsmitglieder in Berlin erlebt, erkennt unmittelbar das qualitative Gefälle zwischen Berlin und Wien.

Daran wird sich freilich auch nichts ändern, sollte Häupl seine Forderung nach einer Nulllohnrunde für Politiker durchsetzen. Wer in diesem Job nicht nur keinen klaren Gedanken hat, sondern den auch nicht verständlich formulieren kann, wird auch nach der hundertsten Nulllohnrunde noch überbezahlt sein. Wer hingegen entsprechend ansehnliche Arbeit in der Politik leistet, sollte auch entsprechend gut entlohnt werden und sich nicht gefallen lassen müssen, seit nunmehr sechs Jahren auf eine Gehaltsanpassung zu verzichten (und damit mehr als 20 Prozent Kaufkraft einzubüßen).

Zumal es insgesamt ja nicht wirklich um brüllend hohe Beträge gibt - die Erhöhung der Bezüge aller österreichischen Politiker in Bund, Ländern und Gemeinden um die von der Regierung vorgeschlagenen 1,8 Prozent würde rund fünf Millionen Euro pro Jahr kosten (um diesen Betrag geht sich grade eine Homepage fürs Landwirtschaftsministerium aus). Mit schlechten Politikern, die schlecht bezahlt sind, ist niemandem gedient. Irgendwer wird das dem Wähler einmal klipp und klar sagen müssen. Auch wenn es nicht populär sein sollte.

ortner@wienerzeitung.at