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Eines muss man Sebastian Kurz lassen: Er schafft es mit knappen Sätzen (und Hilfe der für knappe Sätze dankbaren Boulevardmedien), die politische Debatte zu lenken. An einem Tag will er "die islamischen Kindergärten" schließen, am anderen die Mittelmeer-Route. Nun sind diese Sätze nicht besonders inhaltsreich, aber solange politische Mitbewerber darauf reagieren, erfüllen sie ihren vorwahlkämpferischen Zweck.
Abseits dieser taktischen Überlegungen stellt sich freilich folgende Frage: Welche gesellschaftliche Ordnung strebt diese neue ÖVP mit Kurz an? "Islamische Kindergärten" nähren die Angst vor einer bereits Kleinkindern oktroyierten Parallelgesellschaft, deren Sinn es sei, die "europäische Kultur" zu zerstören. Wohin es führt, wenn ein Regierungschef die Spaltung vorantreibt, statt zu einen, ist derzeit sehr gut in den USA und in Großbritannien zu beobachten.
Dass die neue ÖVP danach erklärt hat, es gehe um die exakte Kontrolle öffentlicher Förderungen für Kindergärten, lässt eine verständliche Normalität erkennen. Übrig bleiben wird das Gefühl, dass von islamischen Organisationen betriebene Kindergärten einen Gefahrenherd darstellen.
Dann die Schließung der Mittelmeer-Route: Sie folgt der Illusion, aus Europa eine Festung machen zu können. Illusionen als politische Realität zu verkaufen, kann nur in Enttäuschung enden. Auch hier folgte der Nachsatz, es gehe eigentlich darum, mit Ländern wie Ägypten und Tunesien ähnliche EU-Abkommen zu schließen wie mit der Türkei. Das ist statthaft, aber übrig bleibt der Satz, Flüchtlingsrouten zu schließen. Nun will Kurz Bundeskanzler werden - ein rechtschaffenes Ziel. Seine recht forschen Sätze zeigen auch Wirkung, die ÖVP räumt die FPÖ in Umfragen derzeit ab wie einen Christbaum. Bis zur Wahl werden aber alle Spitzenkandidaten, und damit auch Kurz, erklären müssen, wie ihr gesellschaftspolitischer Entwurf aussieht. Und dabei geht es um eine Erzählung, und nicht um einzelne Sätze. Wie man das in Kontinentaleuropa macht, hat in Frankreich Emmanuel Macron erfolgreich gezeigt.
Denn jeder Wähler weiß: Das Leben ist nicht nur schwarz-weiß. Kurz weiß, dass ohne EU-Türkei-Deal die Balkan-Route weiterhin ein Leidensweg wäre. Und er weiß, dass Kindergärten islamischer Vereine keine natürliche Gefahr darstellen. Wir dürfen gespannt sein, wann der Inhalt gegenüber der Taktik die Oberhand gewinnt.