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Trump fordert nach dem Anschlag ein Ende der Green-Card-Lotterie.
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Washington D.C./New York. Die ersten Reaktionen waren für seine Verhältnisse noch relativ zurückhaltend: Beileidsbekundungen für die Familien der Opfer, schimpfen auf den "kranken und derangierten" Täter und die Terrororganisation IS, zu der sich dieser offenbar bekennt; aber im Grund war es nur eine Frage der Zeit, bis US-Präsident Donald Trump den Terroranschlag von New York nutzen würde, um ganz konkrete politische Ziele seiner Administration zu forcieren.
Mittwochmorgen Ortszeit Washington war es soweit. Trump schaltete den Fernseher ein, schaute eine Zeitlang sein Lieblingsprogramm - die politische Frühstücksplauderrunde "Fox and Friends" auf dem rechten Propagandasender Fox News -, bis er genug an Informationen beisammen hatte. Dann nahm der 70-jährige Ex-Reality-TV-Star sein Smartphone in die Hand und teilte dem Rest der Welt mit, wer seiner Meinung nach die Schuld an den acht Toten und elf Verletzten von Lower Manhattan trägt. "Der Terrorist kam durch das Diversity Visa Lottery-Programm in unser Land, eine Schönheit von Chuck Schumer. Ich will eines, das auf Verdiensten basiert!" Und: "Wir kämpfen für Verdienst-basierte Einwanderung, Schluss mit den Lotterie-Systemen der Demokraten. Wir müssen viel härter werden (und gescheiter)."
Strengere Regeln
für Einwanderung gefordert
Anschließend zitierte der Präsident einen als Verschwörungstheoretiker bekannten Ex-Offizier, der "Fox and Friends" Sekunden zuvor mitgeteilt hatte, dass Schumer, Senator von New York und in seiner Kammer Sprecher der Minderheitsfraktion, "dabei mithilft, Europas Probleme zu importieren". Nun liegt Taschkent mindestens ebenso weit weg von Paris oder Berlin wie New York, und zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinerlei Hinweise auf eine Übersee-Connection; aber an derlei Kleinigkeiten hat sich ein Donald Trump noch nie gestört.
Keine zwölf Stunden, nachdem der in Usbekistan geborene und aufgewachsene und 2010 in die USA eingewanderte Sayfullo S. seine Amokfahrt begonnen hatte, kristallisierten sich die politischen Implikationen des Anschlags heraus. Den Boden dafür aufzubereiten hatten die rechten Mediennetzwerke Amerikas zu diesem Zeitpunkt freilich längst begonnen. Keine Minute, nachdem bekannt geworden war, dass der mit einem dauerhaften Aufenthaltsvisum und einer Arbeitserlaubnis ausgestattete Usbeke die Verantwortung für den Anschlag trug, hagelte es Forderungen nach einer strengeren Einreisepolitik.
Erstes Ziel: Die Abschaffung des Diversity Visa-Programms, landläufig besser bekannt als Green-Card-Lotterie. Jährlich profitieren rund 50.000 Menschen aus der ganzen Welt von dieser Möglichkeit, legal und mit allen Rechten ausgestattet in die USA einzuwandern.
Wiewohl sich in den sozialen Netzwerken alle namhaften Propagandisten des Weißen Hauses viel Mühe gaben, Ex-Präsident Barack Obama die Schuld an den Ereignissen von New York in die Schuhe zu schieben - schließlich sei dem Attentäter während seiner Amtszeit die Einreise erlaubt worden - ändert das nichts daran, dass die Einführung der Green-Card-Lotterie auf die Ära eines Säulenheiligen der Konservativen zurückgeht: Ronald Reagan.
Beschlossen Ende der Achtzigerjahre und über die Jahre hinweg vom Kongress abgesegnet von einer Mehrheit von Republikanern und Demokraten, besteht der Zweck des vom Außenministerium betreuten Programms darin, in punkto Einwanderung einen vergleichsweise kleinen, aber signifikanten Ausgleich zwischen all den Ländern zu schaffen, aus denen die Menschen kommen, die permanent in den USA leben und arbeiten wollen. Alle fünf Jahre wechseln die Teilnahmebedingungen - je nachdem, auf welche Nationalitäten sich der Rest der Green Cards verteilt, die Amerika ausgibt. Die Teilnahmebedingungen sind relativ simpel - strenger Background-Check freilich inklusive -, zum Zug kommen in der Regel Bürgerinnen und Bürger aus Ländern, die bei der Gewährung von regulären Green Cards unterrepräsentiert sind (was unter anderem erklärt, warum Länder mit vielen Einwohnern, allen voran China, von der Teilnahme ausgeschlossen sind).
Der Druck auf diemoderaten Kräfte steigt
Bei manchen Gesetzgebern im Kongress rennt Trump, indem er die Forderung nach der Abschaffung des Programms aufgreift, offene Türen ein. Bereits Anfang Februar hatten die Senatoren Tom Cotton (Arkansas) und David Perdue (Georgia) den sogenannten RAISE Act präsentiert, der ganz dem Geschmack des Präsidenten entspricht. Die Abkürzung steht für den Titel "Reforming American Immigration for Strong Employment" und zielt darauf ab, die Anzahl der gesamten Green Cards, die die USA ausgeben - im Schnitt sind das rund eine Million pro Jahr - zu halbieren. Zusätzlich enthält der Gesetzesvorschlag die Provision, eine Obergrenze von maximal 50.000 Flüchtlingen pro Jahr einzuziehen. Die im Kontext der aktuellen Ereignisse aber wichtigste Forderung: die ersatzlose Abschaffung der Green-Card-Lotterie.
Bisher hatten sich selbst unter den Mitgliedern der republikanischen Mehrheitsfraktion im Senat nicht genug Stimmen gefunden, um den RAISE Act Gesetz werden zu lassen. Mit dem Anschlag von New York wird der Druck auf die moderateren Kräfte der Kammer jetzt deutlich steigen. Auch wenn Cottons und Perdues Paket nicht zu hundert Prozent durchgehen wird - noch gibt es nicht einmal einen Termin für eine Abstimmung darüber -, war die Chance, dass die Green-Card-Lotterie abgeschafft wird, nie zuvor größer. Die Toten von Manhattans West Side wird das trotzdem nicht zurückbringen.