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Politische Kehrtwende nach rechts

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Neo-Premier Viktor Orbán darf auf Zwei-Drittel-Mehrheit hoffen. | Rechtsradikaler Jobbik wird zur drittstärksten Partei. | Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen zeichnen sich in Ungarn klare Verhältnisse ab. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übernimmt in Kürze der ehemalige Ministerpräsident Viktor Orbán wieder das politische Ruder. Allerdings ist noch nicht sicher, mit welcher Mehrheit er regieren wird. | Unbehagen und Skepsis im Nachbarland Slowakei


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Am Sonntag fuhr er mit seinem Fidesz 52,8 Prozent der Wählerstimmen ein. Die Partei punktete vor allem in Budapest und Umgebung sowie in Nordungarn. In der zweiten Wahlrunde, bei der vom 14. bis 25. April über die Mandate in Wahlkreisen entschieden wird, könnte daraus noch die Zwei-Drittel-Mehrheit werden, die der Partei in Umfragen prognostiziert wird.

Sozialisten-Debakel

Schon jetzt ist nicht daran zu rütteln, dass Fidesz den höchsten Wahlsieg einer Partei nach der Wende 1989 eingefahren hat, wie Staatspräsident László Solyom sagte, der sein Mandat übrigens am 5. August dieses Jahres niederlegen wird. Orbán selbst betonte: "Der Sieg gehört nicht Fidesz, sondern ist unserer, ein Sieg Ungarns".

Das größte Debakel ihrer Geschichte erlebte die sozialistische MSZP, die zuletzt den scheidenden Premier Gordon Bajnai stützte. 19,3 Prozent und daraus resultierende 28 Parlamentssitze sind das schlechteste Ergebnis bei nationalen Wahlen. Spitzenkandidat Attila Mesterházy verfehlte sogar die parteiinternen Vorgaben, wonach er "20 Prozent plus" holen sollte. Seine politische Karriere scheint vorerst zu Ende. Damit haben sich die Hoffnungen zerschlagen, Mesterházy könnte zumindest zu einer Verjüngung der MSZP beitragen, deren Mitglieder im Schnitt die ältesten der künftig im Parlament vertretenen Parteien sind.

Rechtsextreme jubeln

Mesterházy kann für sich lediglich als Erfolg verbuchen, dass die Rechtspartei Jobbik anders als vorhergesagt nicht zweistärkste, sondern drittstärkste Partei wurde. Vergleichsweise hohen Zuspruch erhielten die Sozialisten in der Hauptstadt, in Györ und Mesterházys Geburtsstadt Veszprém sowie am Donauknie als zweitstärkste politische Kraft. Jobbik kommt vorerst auf 16,7 Prozent und damit 26 aller Mandate. Der Zuspruch zu dieser Partei verteilt sich relativ gleichmäßig übers ganze Land.

Mit dem vorläufigen Wahlergebnis setzt sich ein Trend fort, der sich schon nach den Europawahlen 2009 abzeichnete. Damals hatte Fidesz 56,4 Prozent eingefahren, Jobbik 14,7 Prozent und die Sozialisten 17,4 Prozent. Der deutliche Zuspruch für Fidesz und Jobbik war damals einer relativ niedrigen Wahlbeteiligung zugeschrieben worden, die heuer noch sinken sollte. Tatsächlich gingen rund fünf Drittel aller wahlberechtigten Ungarn an die Urne und damit in etwa so viele wie bei den Parlamentswahlen 2006.

Unabhängig vom Ausgang der zweiten Wahlrunde ist Ungarns politische Kehrtwende nach rechts schon fix. András Schiffer, Vorsitzender der LMP, die als vierte Partei den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, bot unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Ergebnisse eine Zusammenarbeit mit Fidesz an, falls es diesem für eine Zwei-Drittel-Mehrheit nicht reiche. Die als liberal bis konservativ einzuordnende LMP spricht sich für eine ökologisch wie ethisch nachhaltige Politik aus. Sie kam auf 7,4 Prozent und damit 5 Mandate. In Budapest wurde sie mit gut 12 Prozent drittstärkste Kraft.

Neuer Polit-Stil

Außer auf einen Rechtsruck deutet das vorläufige Wahlergebnis auch auf neue Herausforderungen für ungarische Politiker hin. Am Sonntag stimmte immerhin ein gutes Fünftel aller Wähler für Jobbik und die Grünfraktion LMP und damit für Parteien, die zuvor etwa mit Hausbesuchen auf persönliche Kontakte zu den Wählern setzten. Politiker, die wie in Ungarn traditionell üblich, ihre Positionen nur verkünden statt sie zu kommunizieren, scheinen also Auslaufmodelle.

Darüber hinaus kündigt sich in Ungarn zumindest mittelfristig ein Generationswechsel an. Denn mit Viktor Orbán steht von den Spitzenkandidaten der künftig im Parlament vertretenen Parteien nur noch einer für ein geglücktes politisches Schicksal nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989.