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Politische Vorbilder

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

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Als Hurrikan Sandy bedrohlich auf die Ostküste der USA zuraste, beendeten Demokraten und Republikaner ihre gegenseitigen Schuldzuweisungen. Als es beim Euro-Rettungsschirm knapp für Merkel wurde, sprang die SPD ein, um murrende CDU- und FDP-Abgeordnete "auszugleichen". In Demokratien ist es möglich, die politische Auseinandersetzung bei essenziellen und existenziellen Themen zu beenden und gemeinsam vorzugehen.

Chefredakteur Reinhard Göweil.

Das sollte eine Binsenweisheit sein. Die aktuelle politische Lage in Österreich erfordert es aber, darauf hinzuweisen. Asyl beispielsweise wäre so ein essenzielles Thema. Dass die FPÖ Asyl und Betrug meist in einem Wort verwendet, daran sollte man sich zwar nicht gewöhnen, tut es aber trotzdem irgendwie. Es geht aber tiefer. Die Vorschläge eines Expertenrates zur Einbürgerung von Menschen und die Kritik an Staatssekretär Kurz wurden von der ÖVP weggewischt mit dem Hinweis, dass es sich bei diesen Leuten um ein "rot-grünes Umfeld" handelt. Nicht deren Sachvorschläge wurden geprüft, sondern eine mögliche politische Herkunft der Experten diente als Gegen-Argument...

In der Bundesheer-Debatte läuft es ähnlich. Die jeweiligen Vorschläge zu Berufsheer oder Wehrpflicht werden gar nicht erst auf deren Gehalt abgeklopft. Es zählt nur, dem jeweiligen politischen Gegner bei der Volksabstimmung am 20. Jänner eine Niederlage zuzufügen. Parkraumbewirtschaftung in Wien: Niemand redet vom Verkehrskonzept, sondern es geht nur darum, Ressentiments in die jeweils andere politische Richtung zu schüren.

Nun, genau das ist der Nährboden, der Frank Stronachs politische Avancen düngt. Es ist auch der Nährboden für Wutbürger und für die politische Apathie vieler anderer.

Die sachliche Auseinandersetzung spielt in der heimischen Innenpolitik kaum noch eine Rolle. Es geht - auch im Parlament - vor allem darum, der jeweils anderen Partei die "G’streckte" ins Gesicht zu hämmern. Worüber wird abgestimmt? Die Sachkenntnis vieler Abgeordneter wird erst gar nicht abgerufen - vermutlich oft, um deren Fehlen zu kaschieren.

Der "starke Sager", um in Boulevard-Medien vorzukommen, gewinnt das Match vor differenzierter Betrachtung. Solange es sich die Politik so leicht macht, so lange bleiben die wichtigen Themen ungelöst. Stronach wird’s freuen.