Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Vermeide oh Freund die Adjektive!": In der politischen Berichterstattung wird dieser Stil-Rat selten befolgt. Mit Hartnäckigkeit hält man an Floskeln fest, die sich im Kurzzeitgedächtnis festgesetzt haben und die nach Anwendung heischen - ob sie nun informativ sind oder nicht.
Was ist nicht alles "umstritten": der Abfangjägerkauf, der Punkteführerschein, die Pensionsreform, jede Art von Privatisierung, das Abstimmungsverhalten der FPÖ-Bundesräte und die Homepage des Finanzministers. Demnächst wird man aus der Bundeshymne auch noch das "heiß umfehdet" dazunehmen, um die Dramatik zu steigern...
Diskussionsrunden oder Experten, die im jeweiligen Medium vorgeführt werden, werden grundsätzlich als "hochkarätig" angekündigt. Man handelt sie als Schmuckstücke. Die genaue Karatangabe wird verschwiegen; aber vielleicht wird sich auch das noch einbürgern. Alles verlangt nach Steigerung; bis wir schließlich bei Superlativ "höchstkarätigst" landen werden. Der Informationsgehalt ist dadurch zwar nicht erhöht, aber das Medium zeichnet sich selbst mit der Schaffung eines kostbaren Personen-Ambientes aus. "Wer in einem vornehmen Hotel sitzt, ist selber vornehm" (aus den "Geboten eines Kleinbürgers" von K. Tucholsky).
Nicht nur Adjektive erfreuen sich der Endloswiederholung; auch gewisse Verba haben ihre Dauerkonjunktur. Neuerdings scheint vieles abfederungsbedürftig zu sein. Kaum wird eine Maßnahme ins Auge gefasst, will sie jemand "abfedern"; unklar bleibt, ob sie 'gerupft' werden soll (= Äquivalent zum "Ziehen von Giftzähnen") oder ob von Federn die Rede ist, die das harte Lager bzw. die befürchtete harte Lage "weicher" machen sollen. Abgefederte Gesetze erscheinen am Ende flauschig und flaumig und können dann "abgesegnet" werden. "Absegnen" können im säkularisierten Zeitalter nicht nur kirchliche Instanzen, sondern auch Parteivorstände, Parlamentsklubs, Bei- und Stiftungsräte, Vereinsvorstände und Gremien aller Art. Man sieht sie förmlich, wie sie segnend-abstimmend ihre Hände heben und auch ohne Spruch dem Beschluss die höhere Weihe geben. Freilich, wenn etwas von der Nationalratsmehrheit abgesegnet ist, muss es für den Bundesrat noch lange nicht sakrosankt sein.
Tritt dieser Fall ein, so besteht die Chance, dass das Thema zu einer "Causa" wird. Wiewohl nur wenige Menschen des Lateinischen mächtig sind, hält sich dieser Begriff in der Nachrichtensprache. Er dringt bis in die Schlagzeilen und kündet dort vom Bildungsvertrauen der Redakteure. Oft genug konnte man ihn ja hervorholen. Wir hatten die "Causa Waldheim"; und die "Causa Klestil" war nicht nur für News lange Zeit "prima". Zuletzt wurde sogar die Homepage Grasser zu einer "Causa" - wohl mangels anderer Erregungsfälle. Der Sprachschatz ist offenbar begrenzt. Auf der Suche nach passenden Vokabeln rüttelt man am Wörterbaum und da einem nichts in den Schoß fällt, verwendet man die Stehsätze, die man schon im Computer hat.
Als hochkarätiger Schreiber pflegt man die umstrittene Causa, segnet die Diskussion mit knackigen Expertenurteilen ab, fordert im Kommentar deren Abfederung und vergeudet auf diese Art das Sprachvermögen. Da gibt es kein Entkommen. Die Worte kommen vom einen zum anderen, und zu schlechter Letzt auf den Hund.
Rudolf Bretschneider ist Geschäftsführer beim Meinungsforschungsinstitut Fessel-GfK