Ein ehemaliger FPÖ-Bezirksrat trifft in der Moschee neben seinem Haus eigentlich ganz "klasse Burschen".
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Wien. Robert Hubac hatte einmal was gegen "Ausländer". Vor fünf Jahren begleitete ein Kamera-Team der ORF-Sendung "Am Schauplatz" ihn durch sein Floridsdorfer Grätzel. Er sammelte Unterschriften gegen ein geplantes islamisches Kulturzentrum in der Rappgasse. Als Leopoldine Weidinger, die Obfrau der Initiative "Rappgasse/Umgebung", beim Streifzug ein Flugblatt linker Gegendemonstranten in die Hand bekam und Wörter wie "Rassisten" oder "Neonazis" vorlas, biss sich Robert Hubac auf die Unterlippe. Doch er konnte sich nicht zurückhalten. Zum ersten Mal sagte der 52-Jährige in die Kamera, was er wirklich von seinen zukünftigen Nachbarn dachte: "Was können wir dafür, wenn irgendwelche verrückten Gruppierungen hier auftauchen?"
Heute besucht Robert Hubac zum ersten Mal die mittlerweile fertiggestellte Moschee neben seinem Haus. Am Ende wird er sagen: "Hätte ich gewusst, dass das Zentrum so wird, wie es jetzt ist, hätte ich nicht dagegen protestiert." Es ist die Geschichte eines Mannes, der bereit war, sich seinen Dämonen zu stellen. Einem, der bis vor fünf Jahren noch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zugejubelt hat, als er gegen das islamische Kulturzentrum gewettert hat, und der das heute vielleicht nicht mehr so tun würde.
Zweimal war Robert Hubac schon hier in der Rappgasse, um sich zu beschweren. Und immer noch sind ihm seine Nachbarn suspekt. Als der füllige 52-Jährige bei den Müllcontainern in einer Nische neben dem gläsernen Eingangstor vorbeigeht, ist er sich sicher: "Gestern stand da nur ein Container. Den zweiten haben sie hingestellt, weil jemand von der Presse vorbeikommt." Es ist Freitag, 13 Uhr. In zehn Minuten beginnt das Freitagsgebet. Robert Hubac zieht sich vor dem Schuhregal zögerlich seine Schuhe aus. "Muss das sein?", fragt er und bückt sich schwerfällig zu seinen Schuhbändern hinunter.
Er geht über die ausgelegten Orientteppiche im fensterlosen Gang zum Hintereingang des Gebetsraums. Es riecht nach Schweiß und Chlor aus dem angrenzenden Fußwaschraum. Vorsichtig blickt Robert Hubac mit verschränkten Armen durch die schmale Hintertüre des Gebetsraums. An seinem schweren Körper streifen junge und ganz alte Männer vorbei in den schlicht eingerichteten Raum. Der Imam steht in der blau gekachelten Gebetsnische und betet durch sein Kopfmikrofon Koranverse vor. 150 Männer knien am Spannteppich und beugen ihre Arme in die Richtung des Imams. 600 Personen würde der Raum eigentlich fassen. An diesem heißen Sommertag sind viele der Moschee-Mitglieder auf Urlaub. "Hm, klingt schon komisch", sagt Robert Hubac, als er den Gesang des Imams hört. Doch vor allem beschäftigt ihn der Gang. "Der ist zu schmal", sagt er und misst mit seinen Fußschritten den Abstand zwischen den beiden kahlen Betonwänden ab. "80 Zentimeter, das entspricht nie im Leben den Brandschutzbestimmungen." Nach dem Gebet geht Robert Hubac in den Gebetsraum und schüttelt dem Imam, Bayram Kara, dem stellvertretenden Obmann, Ramazan Sahan, und dem Pressesprecher, Zafer Türe, die Hand. Sie haben sich verabredet.
Auf ein Bier
Die drei türkischen Herren empfangen ihren Gast emsig und herzlich. Schnellstmöglich versuchen sie, ein Gespräch aufzubauen, und lachen dabei übertrieben oft. "Ich habe ihnen ein paar Mal Lahmacun vorbeigebracht", stellt sich Ramazan Sahan vor. "Ach stimmt, dieses Fladenbrot", antwortet Robert Hubac. "Nein nein, das ist belegt - wie Pizza." Robert Hubac schätzt das Bemühen um seine Person. Er hat wenig Kontakt zu anderen Menschen. "Ich bin froh, endlich mal alles erzählen zu können. Ich habe ja sonst niemanden, der mit mir redet", hatte er im Vorgespräch des Treffens gesagt. Er erzählte auch, dass er Zafer Türe, den Pressesprecher, sehr schätzt. Ihn kennt er bereits von einigen Diskussionsabenden und einer Aussprache von vor einem Jahr. Und nach ein paar freundlichen Worten sagt Robert Hubac auch über Ramazan Sahan und Bayram Kare: "Klasse Burschen, mit denen würde ich auf ein Bier gehen."
Robert Hubac ist ein sehr skeptischer Mann. Aber er ist auch offen für zwischenmenschliche Erfahrungen. "Wir haben fünf Türen im Gebetsraum. Eine Flaschenhalssituation kann damit ausgeschlossen werden", erklärt Zafer Türe, als ihn Robert Hubac auf die Brandschutzbestimmungen hinweist. "Okay, dann hat sich das natürlich erledigt", antwortet er und lächelt verlegen. In den vergangenen fünf Jahren hat Robert Hubac seine Einstellung ein wenig geändert.
Im Jahr 2010 gründete er mit vier anderen Anrainern eine Bürgerinitiative, die verhindern wollte, dass die "Türkisch Islamische Union" (Atib) in der Floridsdorfer Rappgasse in einem ehemaligen Reparaturgeschäft für Kaffeemaschinen ihr islamisches Kulturzentrum errichtet. Vier große Kritikpunkte hatte die Initiative an das anstehende Bauprojekt: Eine Moschee, in die regelmäßig 600 Leute zum Beten kämen, würde viel Lärm, Parkplatzmangel und einen Wertverlust der angrenzenden Wohnungen verursachen. Und ein Ort, an dem Kinder Nachmittagsunterricht und Sommerbetreuung bekommen, Erwachsene Lebensmittel einkaufen und zum Frisör gehen können, würde die Bildung einer Parallelgesellschaft fördern. Die Bürgerinitiative veranstaltete eine Demonstration.
Mit 50 Skinheads dagegen
Das mediale Echo war groß. Ein Jahr zuvor, im Mai 2009, sorgte eine Demonstration gegen den Bau eines islamischen Kulturzentrums in der Brigittenauer Dammstraße schon für kräftigen Wirbel. Mit einem Kruzifix in der rechten Hand forderte FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache vor den 700 Demonstranten und ebenso vielen Gegendemonstranten auf der Bühne am Ring: "Abendland in Christenhand!" Und die Sprecherin der veranstaltenden Initiative "Moschee ade" legte konsequent nach: "Langsam ist Nazi ein Ehrentitel." Auch rund ein Jahr später, im Juni 2010, als die Initiative "Rappgasse/Umgebung" eine Demonstration am Floridsdorfer Spitz organisierte, war Strache wieder als Gastredner eingeladen. Und dieses Mal vor den Gemeinderatswahlen im Oktober. Der Grätzel-Konflikt wurde im Vor-Wahlkampf zu einem Kampf der Kulturen hochstilisiert.
200 Demonstranten kamen zur Demonstration, darunter 50 rechte Skinheads. 250 Gegendemonstranten pfiffen und schrien gegen die "rassistische Bürgerinitiative". Strache heizte weiter ein. "Das Haus Österreich gehört uns Österreichern." Zum ersten Mal in seinem Leben war Robert Hubac damals auf einer Demonstration. Gemeinsam mit einem Arbeitskollegen hielt er ein wenig verunsichert das Doppelhalter-Transparent mit dem Namen der Initiative "Rappgasse/Umgebung". "Ein komisches Gefühl", sagt er. Robert Hubac war nie besonders an Politik interessiert. Aber was in seinem Bezirk vor sich geht, das war ihm wichtig.
Doch außer medialen Aufruhr hatte die Demonstration keinen Effekt. Also beschwerte sich Robert Hubac bei der Baupolizei. Als Immobilienentwickler erkannte er bauliche Mängel. "Zu breite Stiegenaufgänge, schmale Ausgänge, Asbest in den Wänden." Und das wirkte. Für zweieinhalb Jahre wurde das Zentrum geschlossen.
In der Zwischenzeit kam es zu einem Führungswechsel in der Bürgerinitiative. Robert Hubac übernahm im Jahr 2012 den Vorsitz, nachdem die Obfrau, Leopoldine Weidinger, aus Floridsdorf wegzog. Zu diesem Zeitpunkt war Hubac bereits zwei Jahre lang FPÖ-Bezirksrat. "Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kind", sagt er heute. Ein langjähriger Freund, für die FPÖ im Gemeinderat, fragte ihn, ob die Partei ihn auf die Liste schreiben dürfte. Er war auf Platz 19 gereiht und die FPÖ erreichte bei der Bezirksvertretungswahl 2010 in Floridsdorf exakt 19 Sitze. Die Bürgerinitiative wurde ab sofort offiziell von der FPÖ unterstützt. Nun hatte Robert Hubac endgültig die Gesinnung gewechselt.
15 Jahre lang war Hubac eingeschriebenes Mitglied bei der SPÖ. Pragmatisch unterschrieb er als 24-Jähriger bei seinem Dienstantritt bei den ÖBB auch die Parteimitgliedschaft. Immerhin stammte er aus einem roten Elternaus, seine Mutter arbeitete als stellvertretende Personalleiterin ebenfalls bei den ÖBB. Als Jörg Haider dann zum zweiten Mal Landeshauptmann in Kärnten wurde und auch auf Bundesebene bei der anstehenden Nationalratswahl der große Gewinner zu werden schien, überdachte Robert Hubac zum ersten Mal seine SPÖ-Mitgliedschaft. "Mir gefiel diese positive Einstellung gegenüber Österreich. Ich bin stolz darauf, Österreicher zu sein, und möchte das auch sagen." Im Laufe der Jahre wurde aus Sympathie zur FPÖ klare Überzeugung.
Als Bezirksrat bekam Robert Hubac den Bauausschuss übertragen. Doch das war nicht genug Einfluss, um sein Herzensprojekt durchzusetzen: die Moschee im Nebenhaus zu verhindern. Anfang 2013 eröffnete das islamische Zentrum in der Rappgasse endgültig. Nach einem mühsam finanziertem Umbau waren alle Auflagen erfüllt. Robert Hubac verkaufte aus Panik Teile seines Gartens. Das Swimmingpool-Becken neben der asphaltierten Hofeinfahrt bekommt oberflächliche Risse, davor wuchert der ehemalige englische Rasen. "Die Baufirma könnte jederzeit zu bauen beginnen", sagt Robert Hubac. Heute noch findet er: eine gute Entscheidung. "Ich muss durch die Moschee mit einem Wertverlust von 70 Prozent rechnen."
Das ungeheure Fremde
Im Haus neben dem islamischen Zentrum ist Robert Hubac aufgewachsen. Seine Großeltern führten dort in seiner Kindheit einen kleinen Bauernhof. Und auch das Nebenhaus gehörte früher ihnen. In den Sechzigern war die heutige Moschee ein Schweinestall. Damals wohnten in der Straße Bauarbeiter, Uhrmacher und Elektriker mit ihren Familien. Robert Hubac kannte sie alle. Eine Arbeiter-Gemeinschaft, die ihm heute abgeht. "Früher grüßte man sich und unterstützte einander", sagt er. Als seine Freunde auszogen und Familien anderer Kulturen einzogen, bedeutete das für ihn soziale Isolation. Das Fremde ist ihm immer noch nicht ganz geheuer. Robert Hubac verbringt seine Tage mit seiner philippinischen Frau im zweistöckigen Betonbau, in der Gartenlaube hinter dem Gartenzaun oder am Floridsdorfer Fußballplatz. Immer da, wo die anderen sind, ist er nie. Heute ist Robert Hubac mit niemand mehr in der Straße befreundet.
"Hier habe ich vor 45 Jahren einen Farbfernseher gestohlen", erklärt er und blickt nostalgisch auf die Kellerstiegen gegenüber der Türe, durch die er zuvor das Gebet beobachtet hat. Bayram Kara, Ramazan Sahan und Zafer Türe führen ihn durch das einstöckige Haus. "Da ist nie jemand draufgekommen, nicht einmal meine Eltern." Vor dem Kaffeemaschinen-Geschäft haben hier "Philips" und "Nordmende" einen Standort gehabt, erklärt Robert Hubac. Während des Rundgangs stellt er die Fragen, die ihn schon lange beschäftigen, die er aber noch nie Moslems gestellt hat. Wie stellt Atib sicher, dass keine IS-Rekruten hierherkommen? Stimmt es, dass im Koran 186 Mal steht, dass Ungläubige getötet werden müssen? Wird Atib aus der Türkei finanziert? Werden den Kindern im Nachmittagsunterricht auch österreichische Werte beigebracht? Wird es Frauen verboten, ihn und andere Nachbarn zu grüßen?
Verständnisvoll nickt der Imam und beantwortet alle Fragen. Nach dem Gebet hat er Umhang und Käppchen abgelegt. Er trägt nun schlichte Straßenkleidung. Diszipliniert, mit durchgestrecktem Kreuz und breiten Beinen, steht der kleine bärtige Mann im kahlen Gebetsraum der Frauen im ersten Stock und klärt auf. "Ich sage nach jedem Gebet, dass wir Terror verurteilen. Und die Koran-Stellen, in denen von Töten die Rede ist, beziehen sich auf eine Schlacht, in der Mohammed verfolgt wurde. Das lässt sich natürlich nicht auf die heutige Zeit umlegen." Robert Hubac antwortet: "Okay, das glaube ich." Und auch seine anderen Fragen empfindet er als entkräftet. Atib finanziere sich aus Spenden und Beiträgen der Mitglieder. Frauen würde es nicht verboten, Männer zu grüßen. Nur der Unterricht für die Kinder, der macht Robert Hubac weiterhin Sorgen.
"Wir erklären den Kindern, dass sie die österreichischen Gesetze einhalten müssen, und vermitteln ihnen auch die Werte der österreichischen Gesellschaft", erklärt der Imam vor dem leeren Klassenraum. Die Schulbänke sind übereinander gestapelt, im Sommer kommen nur wenige Kinder. Robert Hubac verlagert sein Gewicht auf den anderen Fuß und zupft staatsmännisch am Ärmel seines blauen Segel-Marken-Hemdes. "Die Lehrer hier können keine österreichischen Werte lehren. Sie sind ja keine Österreicher", entgegnet er. "Die Lehrer unterrichten aber alle an österreichischen Schulen und arbeiten nur in ihrer Freizeit hier", erklärt Zafer Türe.
Der Atib-Pressesprecher gibt den Dolmetscher. Als Einziger der drei Moschee-Repräsentanten spricht er fließend Deutsch. Der Jüngste in der Runde ist das weltoffene Testimonial des konservativen Vereins Atib. Die von Atib eingesetzten Imame unterstehen dem türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) und werden von diesem bezahlt.
Parallelgesellschaft?
"Ich spreche fünf Sprachen", sagt Zafer Türe stolz. Und sein Cousin ist der österreichische Nationalteamspieler Veli Kavlak.
Robert Hubac nennt ihn "Zafer". Und dieser wiederum nennt ihn "Herr Hubac". Geduldig hört er sich die immer länger werdenden Ausführungen von "Herrn Hubac" an. Er wird selbstsicher. Als Robert Hubac über die gewissenlose Mülltrennung der anderen Nachbarn in der Straße lästert, nickt er empathisch. Und bei seinen brachialen Späßen lacht er laut. Und auch der Imam und der stellvertretende Obmann nehmen sich viel Zeit.
Nach dem Rundgang sitzen Bayram Kara, Ramazan Saha, Zafer Türe und Robert Hubac auf den engen Holzstühlen in der Vereinskantine und essen auf Einladung des Hauses Kadayif. Über der Getränkevitrine hängt ein Plakat, das über die nächste Pilgerfahrt nach Mekka informiert. Dahinter steht ein Mann und kocht türkischen Tee. Unter einer Türkei-Flagge am Giebel eines Durchgangs spazieren Männer nach dem Freitagsgebet nach draußen zur Hauptstraße.
"Mandeln, Zimt, Zuckersirup und Fadenteig - sehr leicht zu machen", erklärt Zafer Türe die Speise. "Schmeckt sehr gut", antwortet Robert Hubac und zerteilt den Engelshaar-Kuchen mit seiner Dessertgabel in kleine Häppchen. Und dann sagt er den entscheidenden Satz: "Hätte ich gewusst, dass das Zentrum so wird, wie es jetzt ist, hätte ich nicht dagegen protestiert." In der FPÖ und der Bürgerinitiative ist Robert Hubac nicht mehr aktiv. Nur Parteimitglied ist er noch.
Es werde sich aber immerhin erst zeigen, ob sich seine Befürchtung von einer Parallelgesellschaft nicht doch bewahrheiten werde, meint er. Aber er könne sich sehr gut vorstellen, dorthin wieder einmal auf Besuch zu kommen.