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Von Mutmaßungen zum belastbaren Wissen - die IGGÖ als Teil des Problems und der Lösung?
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Wenn die neue Dokumentationsstelle für den religiös begründeten, politischen Extremismus investigativ, unabhängig und mit entsprechender wissenschaftlicher Expertise das Phänomen des Islamismus erforschen sollte, wäre das ein wichtiger Beitrag für die differenzierte Erfassung des Phänomens. Das wäre schon ein Meilenstein, denn gegenwärtig baut vieles noch auf Indizien und Mutmaßungen. Es hat damit das Potenzial, einem Generalverdacht gegenüber Musliminnen und Muslimen wie ihren Institutionen vorbeugen, aber auch der Verharmlosung von Missständen entgegenwirken zu können.
Legal, aber nicht legitim
Menschen aus muslimisch geprägten Ländern und ihre Nachkommen bilden keine homogene Gruppe. Das Spektrum reicht von areligiösen und säkularen über moderate und stark religiöse bis hin zu islamistisch- fundamentalistischen Kreisen. Das Bedürfnis, in Moscheen zu beten oder in diversen muslimischen Vereinigungen aktiv zu sein, ist das naheliegende Anliegen der stärker religiösen Gruppen. Das ist legitim. Legal, aber nicht legitim ist, dass sie ihre deutlich religiöseren Positionen als die der "Muslime" ausgeben und einen Repräsentationsanspruch erheben, den sie nicht haben.
Damit findet ein konservativeres Framing des Islams nach innen und außen statt. Diese homogenisierende Vereinnahmung seitens der stark religiösen und islamistischen Gruppen zeigt, wie man sich Macht und Deutungshoheit verschafft. Daher wäre neben der Erforschung des islamisch motivierten Extremismus auch das Aufzeigen und die Dekonstruktion solcher subtileren Strategien des Islamismus eine wichtige Aufgabe der Dokumentationsstelle.
Dass die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) ihre fehlende Einbindung beim Aufbau der Dokumentationsstelle kritisiert, zeigt ihre Widersprüchlichkeit. Sie sowie auch ein Großteil der muslimischen Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nahezu alle Missstände in ihren Reihen verleugnet und, wenn dies nicht mehr ging, verharmlost haben. Erst durch die massive Kritik und auch Kontrolle von außen wurden bestimmte positive Entwicklungen angestoßen. Das fehlende Problembewusstsein in der IGGÖ zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sie offenbar keinen Widerspruch darin sehen, dass die rechtsextremen Grauen Wölfe mit drei Kultusgemeinden in ihren Reihen vertreten sind und zugleich eine Deradikalisierungsstelle unterhalten.
Extremismus erforschen
Die pogromhaften Angriffe türkischstämmiger Rechtsextremisten in Favoriten haben zudem gezeigt, dass wir es auch mit einer gefährlichen Mischung aus Islamismus und Rechtsextremismus zu tun haben. Neben dem Wolfsgruß wurde in Schreichören immer wieder "Erdogan!" und "Allahu Ekber!" gerufen. Dies zeigt eine Symbiose von Nationalismus, Rechtsextremismus und Islamismus. Die Dokumentationsstelle sollte sich nicht nur auf Islamismus beschränken, sondern auch Rechtsextremismus in der Migrationsbevölkerung untersuchen.
Parallel hierzu muss die Beobachtung des österreichischen Rechtsextremismus, die vom DÖW betrieben wird, unbedingt ausgebaut werden. Denn eine offene, resiliente Demokratie muss sich allen demokratie- und gleichheitsfeindlichen Strömungen entgegensetzen und darf auf keinem Auge blind sein.