Alejandro Guillier stieg erst vor vier Jahren in die chilenische Politik ein und wurde Senator. Jetzt will er Präsident werden.
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Jahrzehntelang hat Alejandro Guillier den Mächtigen in Chile auf die Finger geschaut. Jetzt versucht er selbst, in das höchste Amt im Staate zu gelangen. Zwar ist der 64-Jährige derzeit noch so etwas wie eine Außenseiterwette, doch wenn die Chilenen am 19. November zu den Urnen schreiten und einen neuen Präsidenten wählen, könnte er ganz vorne mitmischen. Ein Vierteljahrhundert lang war Guillier Journalist. Nach dem Abschluss der Studien Journalismus und Soziologie fing er bei einer kleinen Regionalzeitung an, wechselte dann zum Radio, wurde danach Chefredakteur der - inzwischen eingestellten - Zeitung "El Metropolitano" und erhielt schließlich seine eigene politische Diskussionssendung "Cero Tolerancia" ("Null Toleranz") beim Sender "Chilevisión". Die verhalf ihm zu landesweiter Bekanntheit. Doch irgendwann wollte er nicht mehr über Politik diskutieren, sondern diese selbst gestalten. Also kandidierte er 2013 als Unabhängiger für das Senatorenamt. Unterstützt wurde er dabei allerdings von der Kleinpartei Partido Radical Socialdemócrata, die dem Linksbündnis Nueva Mayoría der amtierenden Präsidentin Michelle Bachelet angehört. Guillier schaffte als Außenseiter und Quereinsteiger auf Anhieb den Einzug in den Senat. Nun steht er vor derselben Ausgangssituation. Doch das Bravourstück im Rennen um das Präsidentenamt zu wiederholen, ist ein Stück schwieriger. Unerfahrenheit und fehlende politische Vernetzung werten Analysten als nachteilig. Auch hat die Affäre um den Einsatz einer versteckten Kamera bei einem Richter während seiner Zeit als Journalist einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlassen. Er wurde in dem Fall erstinstanzlich verurteilt, letztlich aber vor dem Obersten Gerichtshof freigesprochen. Für ihn spricht seine Mobilisierungskraft. In einem Land, in dem an der letzten Präsidentenstichwahl gerade einmal 42 Prozent der Wahlberechtigten teilnahmen, zieht es tausende Begeisterte zu seinen Reden. Zudem wirkt das Land desorientiert: Während Wahlsieger in Chile meist sehr früh absehbar sind, gibt es derzeit keinen wahren Favoriten. Da kann ein frischer Wind entzücken, zumal Guillier populäre Versprechen ins Rennen wirft: mehr Geld für Gesundheitswesen, Bildung und Pensionen, mehr Rechte für Indigene und mehr Autonomie für die regionalen Regierungen. Wenn auch der letzte Punkt ein kleiner Erklärungsansatz sein könnte, so bleibt doch die Frage, woher das Geld für das alles kommen soll. Allerdings ist Guillier dem freien Markt nicht abgeneigt und hat erklärt, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Asien und Europa verstärken zu wollen. Gefällt das der Mehrheit der Chilenen, wird der ehemalige Polit-Kritiker beweisen müssen, dass er es besser kann.