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Abgesehen vom Irrsinn, dass Ursula Stenzel in den kommenden Wochen für zwei verschiedene Parteien in Wien politisch tätig sein wird und dafür auch doppelt bezahlt kriegt (siehe aktuelle Hauptstadtszene), bot der Wiener Gemeinderat gestern auch andere Erstaunlichkeiten. Er darf in Österreichs Innenpolitik damit als "Trendsetter" gelten.
Erstens: Alle neun Landesverfassungen sind auf ihre Demokratie-Tauglichkeit für das 21. Jahrhundert zu überprüfen.
Zweitens: Rechnerische Mehrheiten in einem Parlament garantieren nicht mehr die gewünschten politischen Ergebnissen. Die grüne Vizebürgermeisterin Vassilakou wurde gerade noch (51 Stimmen) in dieser Funktion bestätigt.
FPÖ-Vizebürgermeister Gudenus wähnt sich als "quasi direkt vom Volk gewählt", obwohl eigentlich Heinz-Christian Strache als Listenerster in Wien zur Wahl stand. Der bevorzugte aber im Nationalrat zu bleiben.
Bürgermeister Häupl erhielt 52 Stimmen, von 54 der rot-grünen Koalition. Den anderen Mitgliedern der neuen Stadtregierung ging es - mit Ausnahme von Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig - nicht besser.
Ob diese neu-alte Wiener Koalition also die gesamte Periode halten wird, ist alles andere als sicher. Die kuriose Debatte um den Lobau-Tunnel noch vor der Konstituierung des Gemeinderates zeugt nicht von Stabilität. Ausgemacht sei bloß eine weitere Donau-Querung, meinte Vassilakou. Was sonst als der Lobau-Tunnel sollte die sein?
Nicht nur die Grünen, auch die Wiener Sozialdemokraten haben noch einiges vor sich. Im Jänner will Michael Häupl die Frage beantworten, wie es in großen Bezirken wie Simmering weitergeht. Dort wurde die SP arg abgestraft. Ob sich diese Bezirke, deren Funktionäre teilweise viel zu abgehoben agierten, aber wirklich was dreinreden lassen, ist noch nicht gesagt. Häupl wird dazu jedenfalls seine Macht voll ausnutzen müssen, und die lautet: Er hat die Wiener SP vor einer ärgeren Schlappe bewahrt. Dieses Faktum wird niemand bestreiten können.
Danach stellt sich die Frage, ob diese Stadtregierung tatsächlich so bleibt, wie sie ist. Die minimalen Veränderungen jetzt lassen die Vermutung zu, dass es 2016 zu größeren Revirements kommen wird. Und die können wiederum auch den Bund betreffen. Der Wiener Gemeinderat gestern hupfte es vor: Österreichs Innenpolitik ist generell unberechenbarer geworden.