Benjamin Netanjahu wird von der Gemeinschaft seiner Gegner abgelehnt - und zu Recht auch gefürchtet.
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Zwölf lange Jahre war "King Bibi" in Israel an der Macht - das ist in der Geschichte des Landes einzigartig. Benjamin Netanjahu hat Israel politisch dominiert und beeinflusst wie kein Zweiter, alle Versuche, sich seiner zu entledigen, sind kläglich gescheitert. Jetzt haben sich acht Parteien zusammengerottet, die nichts anderes eint als der Wunsch, den mittlerweile 71-jährigen loszuwerden.
Die Szenerie erinnert an den "Vatermord", den der Schöpfer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, in seinem Werk "Totem und Tabu" beschreibt. Die jüngeren Konkurrenten, die Verstoßenen, versammeln sich, um den (in Korruptionsskandale verstrickten) Patriarchen zu beseitigen. Es gibt nur einen Versuch - misslingt er, endet es für die politische "Mordgemeinschaft" fatal.
Auch den Vertretern der Anti-Netanjahu-Koalition sitzt die Angst im Nacken. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass der rechtskonservative Premier, auch "Zauberer" genannt, den Versuch, ihn kaltzustellen, in letzter Sekunde vereitelt - und politisch überlebt. Deshalb hat man es jetzt sehr eilig. Das Werk muss schnell vollbracht werden, schon am Montag will sich die künftige Regierungskoalition in der Knesset der Vertrauensabstimmung stellen. Eigentlich wäre dafür mehr Zeit vorgesehen. Netanjahu wird von den durchwegs zumindest eine knappe Generation jüngeren Betreibern seiner Entmachtung massiv abgelehnt, aber zu Recht auch gefürchtet. Der Noch-Premier ist politisch talentiert, wittert sofort jede Chance, die sich ihm bietet, und nutzt diese ohne Zögern aus. Dazu kommt, dass der Hardliner von seiner Mission völlig überzeugt ist: Seiner Ansicht nach ist Israels Existenz ständig in Gefahr und jeder Kompromiss mit den Palästinensern oder dem Iran potenziell tödlich. Netanjahu sieht sich selbst in gewisser Weise als einzigen Garant für die Unversehrtheit Israels, jenes Landes, in dem Juden aus aller Welt nach dem Holocaust Zuflucht gefunden haben, das von feindseligen Nachbarn umzingelt ist und zu einer Trutzburg ausgebaut werden musste. Dass jetzt auch eine arabische Partei Teil der israelischen Regierung werden soll, grenzt für ihn an Verrat.
Der Noch-Premier kämpft nicht alleine um seinen Machterhalt. Immer noch ist sein Likud die Partei mit den meisten Wählerstimmen, politische Freunde sitzen überall an den Schaltstellen, und seine Anhänger halten ihrem Idol weiter die Treue.