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"Politisches Manöver"

Von WZ-Korrespondent Manuel Meyer

Politik

Kataloniens ehemaliger Premier Artur Mas muss wegen des mit Madrid nicht akkordierten Unabhängigkeitsreferendums vor Gericht.


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Madrid. Während sich in Madrid sämtliche Parteien auf den großen Koalitions-Poker nach den Parlamentswahlen vom Sonntag vorbereiten, schlug in Katalonien eine politische Bombe ein. Kataloniens Oberster Gerichtshof entschied, wegen zivilen Ungehorsams und Amtsmissbrauchs ein Verfahren gegen den ehemaligen Regionalpräsidenten Artur Mas (CDC) einzuleiten.

Mas hatte am 9. November 2014 eine vom spanischen Verfassungsgericht verbotene Volksbefragung über die Abspaltung der Region von Spanien durchführen lassen. 80 Prozent stimmen damals für die Unabhängigkeit. Es nahmen aber nur etwa ein Drittel der knapp fünf Millionen Wahlberechtigten teil. Das Gericht setzte das "Unabhängigkeitsreferendum" aus, nachdem die konservative Zentralregierung von Premier Mariano Rajoy Anklage erstattete.

Mehrere Jahre Haft drohen

Da Mas dennoch an die Urnen rief, habe er bewusst die Anordnung des Verfassungsgerichts missachtet, heißt es in einem vom Ermittlungsrichter vorgelegten Bericht. Mas drohen damit eine mehrjährige Haftstrafe und der Ausschluss von öffentlichen Ämtern, sollte er schuldig gesprochen werden. Auch gegen seine ehemalige stellvertretene Ministerpräsidentin Joana Ortega und Kataloniens frühere Bildungsministerin Irene Rigau wird Anklage erhoben.

Mas bezeichnete die Anklage als "politisches Manöver" gegen seine Konvergenz-Partei, aber auch gegen die radikal-separatistischen Republikaner der ERC, mit denen Mas Partei ein separatistisches Regierungsbündnis "Junts pel Si" in Barcelona anführt.

In Madrid scheine vor allem die geschäftsführende Regierung von Rajoy Angst zu haben, dass unter dem Eindruck des Brexit nun auch der Ruf nach Unabhängigkeit in Katalonien wieder lauter werden könnte, meinte Mas - und liegt damit gar nicht so falsch.

Anlass zu seiner Vermutung, es handle sich um eine politisch-juristische Farce, sei auch das Timing für die Bekanntgabe der Anklage nur drei Tage nach den Wahlen und kurz vor Beginn der Koalitionsgespräche, bei denen Kataloniens separatistische Partei mit ihren 17 Mandaten im Madrider Parlament durchaus eine wichtige Rolle als Königsmacher spielen könnte.

Bereits vier Tage vor den Parlamentswahlen löste ein Abhörskandal eine Krise zwischen Spaniens regierenden Konservativen und Kataloniens separatistischer Regionalregierung aus: Demnach bat Spaniens Innenminister Jorge Fernández Diaz den Leiter der katalanischen Anti-Korruptionsbehörde um diskreditierendes Material gegen die separatistischen Mitglieder der Regionalregierung gebeten. Das abgehörte Gespräch wurde von der linken Online-Zeitung "Público" veröffentlicht. Am Mittwoch setzte das katalanische Regionalparlament zunächst den Anti-Korruptionsbeauftragen Daniel de Alonso ab. Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont nutzte die Gelegenheit, im Parlement erneut für die Unabhängigkeit der wirtschaftsstärksten Region in Spanien zu werben: "Wir müssen so einen Staat so schnell wie möglich verlassen."