In Oberösterreich ist die Ausgangsposition im Wahlkampf trotz Richtungswahl zwischen Schwarz-Blau und Schwarz-Grün sowie Corona-Fieber im Gegensatz zum benachbarten Deutschland vor dem 26. September ungewöhnlich stabil.
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Es ist für viele ein spanisches Dorf. St. Georgen am Fillmannsbach im Bezirk Braunau zählt gut 400 Einwohner. Alle sechs Jahre rückt es an Wahlsonntagen in den Mittelpunkt, weil das Ergebnis der Minigemeinde früh vorliegt und der Ort seit Jahren eine blaue Hochburg ist. In Oberösterreich sind die Freiheitlichen seit jeher stark, allen voran im Innviertel. Allein im Bezirk Braunau stellen sie drei von 46 Bürgermeistern.
Der Bezirk Braunau ist allerdings derzeit nicht wegen der Blauen, sondern wegen der vielen Corona-Infektionen in vieler Munde. Der flehentliche Appell von Bezirkshauptmann Gerald Kronberger in dieser Woche, sich impfen zu lassen, hat nichts mehr gefruchtet. Nur die Hälfte der Bevölkerung hat sich einen Stich verpassen lassen, damit ist der Bezirk Schlusslicht im Land. Das in der Landeshymne besungene "Hoamatland" ist mit einer Impfquote von nicht einmal 55 Prozent Vollimmunisierten im Bundesländervergleich Nachzügler.
Ab Samstag null Uhr kann niemand mehr den Bezirk Braunau ohne 3G-Nachweis verlassen. "Ich habe damit kein Problem", sagt Franz Wengler, FPÖ-Bürgermeister in St. Georgen am Fillmannsbach. Man könne sich im Gemeindeamt testen lassen. Der Bauer ist für einen Blauen gelassen gemessen an FPÖ-Obmann Herbert Kickl, der wegen des "Impfzwangs" Gift und Galle spuckt.
Die FPÖ-Spitze setzt wieder auf "Eliten-Ablehnung"
Für den Meinungsforscher Christoph Hofinger, der mit dem Sora-Institut für den ORF die Wahlhochrechnung zur Oberösterreich-Wahl macht, ist die FPÖ-Strategie zu den Corona-Impfungen mit einem gewissen Risiko behaftet. Dabei gehe es wie einst bei Jörg Haider um eine "Eliten-Ablehnung" und eine "Geschichte der Unterdrückung". "Es kann auch sein, dass das für die FPÖ ein Nullsummenspiel wird", meint Hofinger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", weil manche Wähler dieses Nein zu Corona-Impfungen doch nicht goutieren. Zugleich gibt er zu: "Das Impfthema ist eines, das ein bisschen schwer einzuschätzen ist."
Bei der Landtagswahl, die in Oberösterreich traditionell alle sechs Jahre und jeweils an einem Tag mit den Gemeinderats- und Bürgermeisterdirektwahlen stattfindet, kommt noch ein kaum zu kalkulierender Faktor dazu. Unter den elf Listen, die antreten, acht davon landesweit, ist mit der MFG - Menschen Freiheit Grundrechte - eine Gruppierung, die deklariert gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung auftritt. Zumindest in einer Umfrage wird ihr wie den Neos mit dem Spitzenkandidaten Felix Eypeltauer eine Chance auf den Einzug in den Landtag eingeräumt. Die MFG steht in direkter Konkurrenz zur FPÖ, die 2015 ihr Ergebnis von 15 auf gut 30 Prozent verdoppelt und damit die SPÖ um Längen von Platz zwei verdrängt hat.
Professionellen Wahlbeobachtern fällt auf, dass in Oberösterreich in Umfragen die Positionen ziemlich gefestigt sind: Der ÖVP mit Landeshauptmann Thomas Stelzer werden nach dem Absturz 2015 auf gut 36 Prozent keine dramatischen Zuwächse vorhergesagt. Die FPÖ würde demnach ihr Ziel, als Zweiter vor der SPÖ zu bleiben, schaffen, wenngleich eine Umfrage der SPÖ noch die Chance gibt, mit der einzigen weiblichen Spitzenkandidatin, Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer, Rang zwei zurückerobern.
Grüne und Rote sind trotz Regierungssitz in Opposition
Die vierte Partei im Landtag, die Grünen mit Neo-Spitzenkandidat Stefan Kaineder, darf sich auf leichte Gewinne einstellen. Mit gut 10 Prozent sind sie derzeit wie die SPÖ mit einem Landesrat in der Landesregierung vertreten. Grund ist das Proporzsystem, das jeder Partei ab rund 10 Prozent der Stimmen einen Sitz in der Landesregierung garantiert. Dies, obwohl es im Land seit 2015 die mit einem Arbeitspakt besiegelte einzige schwarz-blaue Koalition auf Landesebene gibt.
"In Oberösterreich rennt das so ruhig und gelassen, wie die Donau durch das Land fließt", sagt Hofinger. Die seit Wochen kaum veränderte politische Ausgangsposition ist für den Meinungsforscher das Besondere im Wahlkampf. Ihm fällt das vor allem im Vergleich zur "Achterbahnfahrt" im benachbarten Deutschland auf, wo in Umfragen CDU, dann Grüne und zuletzt die SPD sich in der Führungsposition abgewechselt haben. Deutschland wählt auch am 26. September.
Noch vor einigen Monaten hat der Sora-Experte fest damit gerechnet, dass nach dem Wirtschaftseinbruch durch die Corona-Krise das Thema Arbeitsplätze zentral im Wahlkampf sein werde. Aber jetzt schnurrt der Wirtschaftsmotor wieder. Zu schaffen macht den Vorzeigebetrieben in Oberösterreich, wie dem Feuerwehr-Autohersteller Rosenbauer, ebenso wie vielen kleineren Betrieben weiterhin der Mangel an Facharbeitern. Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) hat zuletzt das Bundesland mit Werbebotschaften für den Wirtschaftsstandort durchpflügt.
Gleiches gilt für den grünen Spitzenkandidaten, der in die großen Fußstapfen von Rudi Anschober tritt. Dieser war von 2003 bis 2015 mit ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer schwarz-grüner Pionier. Kaineder zieht mit zwei Botschaften durch das Land: Klima- und Umweltschutz schaffen auch "grüne" Arbeitsplätze, dazu kommt die Kampfansage an zu hohen Bodenverbrauch samt Attacken ("Bio oder Gift"), die die Schwarzen und ihre Bauernvertreter zur Weißglut treiben.
Die ÖVP stilisiert die Wahl zur "Chefsache"
Zwischen Blauen und Grünen rechts und links macht Stelzer einen auf Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel 2006: einen Wohlfühl-Wahlkampf, in dem den Oberösterreichern eingeimpft wird, dass sie in einem guten Land leben und für Wechsel kein Grund besteht. Die Führung wird von der ÖVP zur "Chefsache" erklärt, in den kommenden sechs Jahren werde mit "Hausverstand" regiert. Nur mit wem der Hausverstand regiert, ist die spannende offene Frage. Eine absolute Mehrheit wie für die ÖVP mit Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich gilt als unerreichbar.
"Es ist eine Richtungswahl zwischen Schwarz-Blau und Schwarz-Grün", sagt Hofinger. Stelzers Partei setzt nicht auf türkise Wahlwerbung, sondern traditionell auf Schwarz-Gelb, wie die Leibchen der Mitglieder der Jungen ÖVP, die im stockenden Pendlerverkehr auf Linzer Stadteinfahrten Informationsfolder verteilen. Die Chancen für eine Verlängerung von Schwarz-Blau sind deutlich größer, auch wenn Stelzer sich die Option Grün offenlässt. Beim Asyl- und Migrationskurs liefern sich ÖVP und FPÖ einen Parallel-Wettlauf - auch, was mehr Deutschpflichten betrifft. Da können die Grünen nicht mit. Deren Klima- und Verkehrspolitik geht der ÖVP wie in der Bundesregierung zu weit, Pendler will sie vor der Wahl schon gar nicht verschrecken. Haimbuchner propagiert auf Plakaten das weitere Regieren seiner Partei.
Die SPÖ wirbt mit Arbeitsmarktexpertise
Dass die ÖVP Oberösterreich zur "Kickl-freien Zonen" erklärt hat, wird durch serienweise Wahlkampfauftritte Haimbuchners mit Kickl konterkariert. Bei den Grünen kommt als Unsicherheitsfaktor dazu, dass sich im Landtag mit den 56 Mandataren eine Mehrheit mit der ÖVP entweder gar nicht oder nur knapp ausgeht.
Und wo kommt die SPÖ vor? Im Wahlkampf setzen sie mit Gerstorfer auf Arbeitsplätze, Pflege und Bildung. Das hat seine Logik, zumal sie als ehemalige AMS-Landesgeschäftsführerin Expertin in den Bereichen ist. Allerdings kommt sie auf Plakaten mit der Botschaft, für die Oberösterreicher "da" zu sein, bieder-brav daher. Erst recht als Oppositionspartei gegenüber Schwarz-Blau. Hofinger wertet den Umstand, nicht im Machtspiel Schwarz-Blau oder Schwarz-Grün drinnen zu sein, als Handicap. Das war zuletzt 2003 unter SPÖ-Landeschef Erich Haider anders.
Der blaue Lokal-Held Wengler hofft in St. Georgen jedenfalls auf eine absolute Mehrheit. Ausgerechnet ein "Roter" ist sein Trumpfass. Nach rund 30 Jahren konnte am Donnerstag ein neuer Feuerwehrwagen vor der Wahl ausgiebig besichtigt werden. Richtig gefeiert wird das danach.