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"Politisiere oder emigriere"

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Die Schriftstellerin und Parteigründerin Manuela Gretkowska im "WZ"-Gespräch. | Polnische Politik: "Viel Arbeit für Psychiater." | Wien. Wird ein Interview im Sigmund Freud-Museum geführt, ist die Frage naheliegend. Was würde der Wiener Psychologe zum Zustand der polnischen Politik sagen? Die polnische Schriftstellerin Manuela Gretkowska - auf Einladung des Polnischen Instituts in Wien zu Gast - überlegt nicht lange. "Ein Komplex an Komplexen. Es gäbe viel Arbeit für Psychiater." Die polnische Führungsriege übertrage ihre persönlichen Probleme auf die gesamte Gesellschaft und mache sie so zu staatlichen Obsessionen. Sie selbst verarbeite ihre Probleme in der Kunst, um nicht die Politik zu belasten.


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In diese ist Gretkowska bereits gegangen. Zu Anfang des Jahres gründete sie die polnische Frauenpartei. Laut einer Umfrage würden sie derzeit elf Prozent der Menschen wählen - und damit zur viertstärksten Kraft im Parlament machen. "Politisiere oder emigriere" würde Gretkowska zum Motto nehmen - in Anlehnung an die Schriftzüge, die vor 20 Jahren an polnischen Hausmauern zum Widerstand gegen die kommunistische Herrschaft aufriefen: "Schieße - oder emigriere."

Gretkowska wählte für viele Jahre die Emigration. Sie kann auch die bis zu zwei Millionen Polen verstehen, die auf der Suche nach einem Job ihr Land verlassen: "Wenn sie die Möglichkeit haben, sollen sie wegfahren - doch sie müssen einen Platz zum Zurückkommen haben."

Die Frauenpartei setzt sich für bessere Gesundheitsfürsorge für Frauen, die Ermöglichung von privaten Kinderbetreuungseinrichtungen - den Tagesmüttern vergleichbar -, eine reale Familienpolitik und gleiche Gehälter sowie Pensionen für Männer und Frauen ein. "Im Gegensatz zu anderen Parteien fordern wir kein Geld aus dem Budget, weil es nicht da ist. Wir wollen keine Geschenke", betont Gretkowska: "Um den Frauen zu helfen, muss die Wirtschaft reformiert werden." In der sollen Frauen stärker vertreten sein - immerhin arbeiten in Polen weniger als 50 Prozent von ihnen. Ihre Arbeitskraft würde zum Wirtschaftswachstum beitragen - und den Frauen selbst zu Gute kommen.

Die Schriftstellerin und Drehbuchautorin Manuela Gretkowska (42) sorgte mit ihren kirchen- und regierungskritischen Feuilletons für Aufregung. Sie lebte viele Jahre in Frankreich und Schweden. In Polen gründete sie die Frauenpartei.