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Politisierter Islam als Gefahr

Von Matthias G. Bernold

Politik

Das Entstehen einer türkisch-islamischen Parallelgesellschaft in den letzten Jahren beobachtet Sozialarbeiter Bülent Öztoplu mit Sorge. Der Gründer des Integrationsvereins Echo ist überzeugt davon, dass es nicht genügen wird, vor einem politisierten Islam die Augen zu verschließen.


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Obwohl in Wien mehr als 120.000 Moslems leben (das ist ein Anteil von rund 8 Prozent der Bevölkerung), merkt man von den 45 Wiener Moscheen wenig. Die Religionsausübung erfolgt mehr oder weniger unauffällig. Kein Ruf des Muezzins erschallt überm Trottoir, auf der Donauinsel wird zur Sommerzeit zwar emsig gegrillt, doch selten ein Gebetsteppich aufgebreitet. Und sieht man einmal von der Moschee am Floridsdorfer Hubertusdamm ab, bereichert auch kein Minarett das Stadtbild. Nichtsdestotrotz kommt dem Kirchgang in der islamischen Glaubensgemeinschaft vielfach eine hohe Bedeutung zu. "Die Moscheen sind nicht nur Gotteshäuser - das sind soziale Plattformen, wo Handel getrieben wird, Probleme und Konflikte gelöst werden," berichtet Öztoplu der "Wiener Zeitung". Doch vom Aufrechterhalten der sozialen Kontakte zur Absonderung ist es nur ein kleiner Schritt. Der Sozialarbeiter, dessen Verein Echo sich vor allem mit den Problemen der zweiten und dritten Immigrantengeneration befasst, nennt daher auch negative Seiten. Es bilde sich eine Parallelgesellschaft heraus, eine Art von gesellschaftlicher Gettoisierung, glaubt Öztoplu. Die Glaubensgemeinschaften würden diese Tendenzen noch unterstützen, ist sich Öztoplu sicher: "Weil sie davon leben". Als "kommende Gefahr" bewertet Öztoplu einen "politisierten Islam". Familiäre- und andere Gruppenstrukturen der Nachkommen der Gastarbeiter seien oft "enorm patriarchalisch" aufgebaut. Das zeige sich etwa daran, dass viele türkische Männer, wenn sich die Frau von ihnen trennen will, zu härteren Konfliktlösungen neigen. Die Kombination aus Gruppendynamik und Islam sei brisant.

"Leben und leben lassen" allein sei zu wenig, ist der Echo-Chef überzeugt. Gefragt sei eine aktive Integrationspolitik: "Wir müssen die politische und soziale Diskriminierung überwinden. Dazu gehört zum Beispiel das Wahlrecht auf kommunaler Ebene. Oder die Schaffung eines Antidiskriminierungsgesetzes." Weiters sei es wichtig, Immigranten der zweiten und dritten Generation im Öffentlichen Dienst zu verankern: Auch unter Rechtsanwälten oder Journalisten gebe es wenige positive Vorbilder: "Kein Wunder, dass etwa viele türkische Jugendliche von einem Beruf als Bodyguard oder Türsteher träumen."