Washington - Hinter den Kulissen des US-Präsidentschaftswahlkampfes spielt sich derzeit ein wahrer Politkrimi ab. Ein "Maulwurf" im Hauptquartier des republikanischen Präsidentschaftskandidaten George W. Bush soll dem gegnerischen Lager vertrauliche Informationen zugespielt haben. Seit zwei Wochen ermittelt die US-Bundespolizei FBI, und sowohl unter den Bush-Anhängern als auch unter den Demokraten machen wilde Verschwörungstheorien die Runde.
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Die seltsamste Story des diesjährigen Wahlkampfes werde immer seltsamer, schrieb die "New York Times".
Der Krimi begann am 13. September, als der ehemalige demokratische Abgeordnete Thomas Downey per Post ein Video von der Vorbereitung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf seine Fernsehdebatten mit US-Vizepräsident Al Gore erhielt. Aufgegeben worden war das Päckchen in Austin, wo Bushs Wahlkampfzentrale steht. Downey, ein alter Freund von Gore, schaute nach eigenen Angaben nur kurz in das Video. Dann übergab er es postwendend dem FBI.
Laut Bush-Sprecherin Karen Hughes hatten nur wenige Topberater des texanischen Gouverneurs Zugriff auf das Material. Jeder von ihnen sei über jeglichen Verdacht erhaben. "Nur Anhänger von Al Gore können Interesse daran haben, Al Gore bei der Vorbereitung auf die Debatten zu helfen", erklärte Hughes düster. Der Wahlkampfstab des Vizepräsidenten wies jegliche Verantwortung zurück. Immerhin jedoch legte Downey sein Amt als Sparringspartner von Gore bei der Debattenvorbereitung vorsorglich nieder.
Ein kleiner Scherz?
Anfangs hielten sich beide Seiten mit öffentlichen Anschuldigungen zurück, doch je länger die Ermittlungen dauerten, desto geladener wurde die Atmosphäre. Schließlich hatte der Watergate-Skandal 1972 mit einem Einbruch in der Wahlkampfzentrale der Demokraten in Washington begonnen. Vergangene Woche wurde ein Wahlhelfer im Gore-Hauptquartier in Nashville in den Zwangsurlaub geschickt. Er hatte sich damit gebrüstet, einen "Maulwurf" im Bush-Lager zu kennen - ein Scherz, wie er seither unter Eid beschwor.
"Nur eine Hose aufgegeben"
Ihre Unschuld beteuerte auch eine 30-jährige Mitarbeiterin von Bushs Werbeberater Mark McKinnon, die vom FBI offenbar als Verdächtige ausgemacht wurde. Sie hatte am 11. September ein Paket in Austin aufgegeben, das jedoch ihren Angaben zufolge kein Geheimmaterial, sondern Hosen ihres Chefs enthielt. Er habe das Kleidungsstück beim Hersteller Gap umtauschen worden, weil ihm die Farbe nicht gefiel, sagte McKinnon am Mittwoch im US-Fernsehen. Dass der Verdacht gegen seine Mitarbeiterin bekannt worden sei, nannte er "skandalös".
Vor den Fernsehdebatten zwischen beiden Kandidaten - nach mehreren Umfragen liegt Bush zur Zeit knapp vor Gore - nutzen die Republikaner die Spekulationen über den "Maulwurf", um ihre These von der mangelnden Vertrauenswürdigkeit des US-Vizepräsidenten zu stützen. Gore habe gezeigt, dass er bereit sei, alles zu sagen, nur um gewählt zu werden, erklärte Bush-Sprecher Ari Fleischer am Sonntag. "Jetzt stellt sich die Frage, ob die Kampagne des Vizepräsidenten auch bereit ist, alles zu tun, um gewählt zu werden."
Die Demokraten streuen hingegen die Version, das Bush-Lager habe das Video selbst in Umlauf gebracht, um ein schlechtes Licht auf Gore zu werfen. Als Beweis wird ein Vorfall aus Texas von 1986 herangezogen. Der heutige Bush-Stratege Karl Rove hatte damals am Vorabend einer Wahldebatte vermeldet, ein Privatdetektiv habe in seinem Büro eine Wanze entdeckt. Seinerzeit wurde der Verdacht laut, Rove habe das Abhörgerät selbst installieren lassen - u.a. aus dem Munde von Bushs heutigem Werbeberater McKinnon, der damals noch für die Demokraten arbeitete.
Das FBI zeigte sich am Mittwoch ungerührt über die in der Luft liegenden Verdächtigungen. Die Untersuchung sei noch im Frühstadium, sagte eine Sprecherin. Aus dem Justizministerium hieß es: "Wir versuchen, diese Angelegenheit so diskret wie möglich zu handhaben." Doch der Psychokrimi hat sich längst zum Selbstläufer entwickelt, bei dem der berüchtigte Internet-Klatschkolumnist Matt Drudge der eifrigste Spürhund ist.