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Für den Salzburger Politikwissenschafter Reinhard Heinisch gibt es trotz der Wahl Norbert Hofers zum FPÖ-Obmann eine Doppelspitze mit Herbert Kickl. Das Anstreifen von Funktionären am rechtsextremen Rand bleibe eine Belastung, meint er.
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Bei der FPÖ steht am Samstag auf einem Bundesparteitag in Graz die offizielle Ablöse Heinz-Christian Straches durch Norbert Hofer an der FPÖ-Spitze auf dem Programm. Hofer sei als "Sympathieträger" das Angebot für die bürgerliche Mitte, analysiert der Salzburger Politologe Reinhard Heinisch im Interview mit der "Wiener Zeitung". Ob Hofer auch der richtige Mann für die Opposition sei und eine Klärung im Verhältnis zu Ex-Innenminister Herbert Kickl, der den harten Kern der FPÖ vertrete, werde es erst nach der Wahl geben.
"Wiener Zeitung": Bei der FPÖ ist die Ära Strache nach 15 Jahren zu Ende. Ist Norbert Hofer nur ein neues, nettes Gesicht?
Reinhard Heinisch: Nein. Es ist eine Doppelspitze mit Herbert Kickl. Beide stehen für unterschiedliche Flügel und Richtungen, die es in der Partei gibt. Ich glaube nicht, dass Norbert Hofer nur die Außenmarke ist und Kickl die eigentliche FPÖ-Marke. Die eine Ausrichtung ist der Zug mit Hofer in die Mitte, Regierungsbeteiligung, eine Partei, die gleichberechtigt Aufgaben im Staat übernehmen kann und dafür bereit ist, weitgehende Kompromisse zu schließen. Eine Partei, die sich weiter in die Mitte bewegt, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Hofer ist für breitere Schichten wählbar?
Er ist der Sympathieträger, der der die Stimmen bringt, der Bürgerliche. Das erlaubt es der Partei, in die Mitte zu gehen, damit sie über 20 Prozent, vielleicht sogar in Richtung 30 Prozent kommt.
Sie haben aber von einer Doppelspitze gesprochen, auch wenn Hofer als Parteichef gewählt wird. Gibt es da nicht ein Problem?
Genau. Wenn sich die Partei in Richtung Mitte verschiebt, kann es auf der rechten Seite passieren, dass dort plötzlich Platz ist, dass Leute abspringen. Es könnte sein, dass dort rechts eine Partei entsteht oder eine Abspaltung kommt, die die eigentlichen Werte der FPÖ wie Härte, einen antieuropäischen Kurs, vertritt und eine Partei entsteht, die die rechten, eher radikalen Inhalte bedient. Das soll aber Kickl verhindern. Denn Kickl spricht die Basis der FPÖ an, wenn Sie so wollen die Knittelfelder, und er garantiert, dass sich die Partei nicht so verändert, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen ist.
Besteht da das Risiko einer Spaltung der FPÖ?
Ich sehe die Gefahr einer Spaltung. Aber mittelfristig oder langfristig, nicht vor der Nationalratswahl. Denn Kickl ist ein alter Profi, er war immer ein Taktiker der Macht, der selbst Wahlkämpfe inszeniert hat und auch die Bewegungen der Partei zwischen hart rechts und Mitte mitgetragen hat.
Können Sie für eine eventuelle Spaltung einen Zeithorizont geben?
Vor der Wahl versucht man, Geschlossenheit zu demonstrieren. Das Problem kann auftauchen, wenn nach der Wahl ein Preis gefordert wird. Nehmen wir an, die ÖVP sagt, mit einer Hofer-FPÖ können wir, aber nicht mit einer Kickl-FPÖ.
Das ist ja schon gesagt worden. Was passiert dann?
Es gibt die Möglichkeit, dass man Kickl innerparteilich oder mit der Klubobmannschaft belohnen kann. Aber es kann sein, wenn das nicht geschickt gemacht wird, dass sich der harte Kern, die Basis der FPÖ, von der ÖVP übervorteilt fühlt und es zur Spaltung kommt. Das ist die klassische Spaltung zwischen Mitte-rechts-Wählern und dem harten Kern der FPÖ. Es kann sein, dass diese Spaltung stärker wird und sich an dieser Doppelspitze entzündet. Das sehe ich als mittel- oder langfristige Gefahr für die FPÖ. Das hängt davon ab, wie die Wahl ausgeht, ob die FPÖ in eine Regierung geht oder nicht und wer sich dabei als Verlierer sieht.
Was ist, wenn sich die FPÖ-Basis als Verlierer sieht?
Wenn die Basis glaubt, ihre Inhalte werden links liegen gelassen, dann hat die FPÖ ein Problem. Denn Kickl ist der Garant dafür, dass die FPÖ wichtige Ministerien besetzt und dort eine Politik verfolgt, die für die Basis wichtig ist. Die Lösung dieses Problems werden wir nach der Wahl sehen, nicht am Parteitag. Da wäre die FPÖ ganz schlecht beraten.
Hofer hat für seine Obmannschaft eine Zäsur in der FPÖ angekündigt. Ist diese mit Kickl überhaupt möglich?
Hofer muss sich einmal als Parteichef bestätigen. Immer wenn es so aussehen würde, als wäre Hofer nur ein Parteichef von Kickls Gnaden oder ein interimistischer Parteichef, wäre das ein Zeichen von Schwäche. Hofer muss zum Ausdruck bringen, dass er die eindeutige Führungsperson ist und sich innerparteilich durchsetzen kann. Das ist notwendig für Verhandlungen. Das ist notwendig, um mit diesen sogenannten "Einzelfällen" umzugehen, wo jemand ausgeschlossen wird oder öffentlich gerügt wird.
Hofer war bereits um Distanzierung vom ganz rechten Rand, von den rechtsextremen Identitären bemüht. Bei Anlassfällen wie zuletzt bei Ursula Stenzel hat er aber nachgegeben. Ist das glaubwürdig?
Deswegen meine ich ja, dass das auf längere Sicht einen permanenten Spaltpilz darstellen kann. Hofer hofft, dass er durch einen guten Wahlerfolg legitimiert wird, er dadurch innerparteiliches Gewicht hat und aufgrund dieses Gewichtes der ÖVP ein Angebot legen kann, bei dem auch Kickl abgefunden wird und der harte Kern zufrieden sein wird.
Und wenn das schiefgeht?
Das liegt auch auf der Hand. Wenn die Partei nicht so gut abschneidet, wenn es zu keiner Koalition kommt und wenn die FPÖ in Opposition geht, wird die Frage sein: Ist Hofer der ideale Mann in der Opposition oder bräuchte es da nicht eine wesentlich angriffigere Person?
Könnte Hofer dann womöglich in relativ kurzer Zeit wieder abgelöst werden?
Das schließe ich nicht ganz aus. Allerdings ist Hofer ein wichtiger Sympathieträger. Auch den Radikaleren in der FPÖ ist bewusst, dass er bei der Bundespräsidentenwahl fast 50 Prozent der Stimmen hatte. Man wäre schlecht beraten, sich im Bösen zu trennen. Da wird man eine andere Strategie fahren, vielleicht für die nächste Präsidentschaftswahl. Die Parteispitze ist professionell genug, dass man weiß, man kann nicht auf einen offenen Konflikt hinsteuern. Das ist anders als in der Haider-Zeit, als die persönlichen Befindlichkeiten permanent durchschlugen. Nur glaube ich nicht, wenn Hofer am Parteitag bestätigt wird, dass er automatisch für die nächsten Jahre fraglos Parteiführer sein wird. Das wird wahrscheinlich erst im Zuge der Wahl und in der Zeit nach der Wahl entschieden. Da muss sich die FPÖ neu aufstellen als Oppositionskraft oder als Regierungskraft. Dazu braucht es ein gewisses Personal und da muss der jeweils andere Parteiflügel abgefunden werden.
Hofer spricht die Mitte an. Wird es einen Bruch mit dem rechtspopulistischen FPÖ-Kurs geben?
Das Programm selbst ist Mitte-rechts. Das Problem sind die vielen Funktionäre, die immer wieder auffallen durch das Anstreifen am rechtsextremen Rand. Auch wenn sich Hofer bemüht, das wird es nach wie vor geben. Das wird eine permanente Belastung für das Verhältnis Hofer-Kickl und für eine etwaige Koalition.
Gibt es noch einen liberalen Flügel in der FPÖ?
Kaum. Es gibt Wirtschaftstreibende in der FPÖ, die nicht bei der ÖVP sind und für die die Neos zu links sind. Mit dem BZÖ erfolgte der Abzug der letzten Wirtschaftsliberalen. Einige mögen seither zur FPÖ zurückgekehrt sein, doch als wirklich bedeutsam nehme ich sie nicht wahr.
Rot-Blau in den Achtziger Jahren ist ebenso vorzeitig gescheitert wie in den 2000er Jahren ÖVP-FPÖ-Koalitionen. Ist die FPÖ einfach die Protestpartei und als Regierungspartei ungeeignet?
Ich habe schon 2004 in einem Beitrag versucht nachzuweisen, dass die FPÖ strukturell eine Oppositions- und keine Regierungspartei ist. Ich würde nach wie vor sagen, jedes Mal angetreten, jedes Mal gescheitert. Ich sehe nicht, dass es anders ist.
Warum?
Eine rechtspopulistische Partei, die das System massiv verändern möchte, eckt viel mehr an. Gleichzeitig ist das Personal, das in der Opposition gut und schrill ist, nicht unbedingt jenes, das Regierungserfahrung mitbringt, das Expertise hat und das Kompromisse schließen kann. Wenn ich diese Funktionäre in der Opposition rekrutiere, darf ich mich nicht wundern, wenn sie in der Regierung Kontroversen auslösen. Dieser Konfliktstoff ist auf Dauer destabilisierend.