Zum Hauptinhalt springen

Polizei ließ obersten Schlepperboss laufen

Von Eva Zelechowski

Politik

Zeuge: "Aus polizeitaktischen Gründen". Stattdessen "kleine Fische" in U-Haft und vor Gericht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wiener Neustadt. Im sogenannten Schlepper-Prozess sorgte der 15. Verhandlungstag für einen Knalleffekt, der medial komplett unterging. Das ist insofern wenig überraschend, als das Medieninteresse bei den letzten Terminen sehr gering und kaum Journalisten vor Ort waren. Am 18. Juni wurde ein weiteres Detail bekannt, das die offenbar schlampig geführten Untersuchungen entlarvt.

Im Zuge der Ermittlungen rund um eine "Schmuggler Mafia" nannten die Beamten den Namen Bobby Shah. Ein angeblich nicht auffindbarer "Schmugglerboss" und großer Fisch in Österreich, für den die Angeklagten gearbeitet haben sollen. Am zweiten Tag der Befragung eines Polizeibeamten im Wiener Neustädter Schlepperei-Prozess stellte sich heraus, dass sich der Hauptschlepper bereits in Polizeigewahrsam befunden hatte. "Aus polizeitaktischen Gründen", wie der Zeuge erklärte, wurde er freigelassen. Als Begründung sagte er: "Weil wir zu den Hintermännern kommen wollten".

Drei Wochen vor Refugee-Abschiebungen

Am 10. Juli 2013, exakt drei Wochen bevor acht Servitenkloster-Flüchtlinge vom Polizeianhaltezentrum (PAZ) in der Rossauer Lände in Wien nach Pakistan abgeschoben wurden, hatten die Behörden die Chance den sogenannten Schlepperboss direkt im PAZ festzunehmen. Stattdessen konstruierte man ein Schlepper-Netzwerk rund um die acht Refugee-Aktivisten und kriminalisierte gleichzeitig die Refugee-Bewegung und ihre Proteste.

"Sie erklären uns gestern, die Angeklagten seien kleine austauschbare Lichter. Bobby Shah aber der oberste Boss. Und den lassen Sie laufen?", richtete Anwalt Gerhard Angeler eine Frage an den Zeugen. Auch Richterin Petra Harbich ist unklar, weshalb man sich eine Festnahme des "Hauptschleppers in Österreich" entgehen ließ. Rechtsanwalt Josef Philip Bischof zufolge handle es sich dabei weniger um Polizeitaktik als vielmehr um Verdachtsamtsmissbrauch. Wie es genau zu dieser Entscheidung kam, daran könne sich der in den Fall involvierte Polizeibeamte nicht mehr erinnern.

Nach der Übersetzung der Aussage an die Angeklagte, sprudelte es aus einem der Männer heraus: "Sie sollten uns jetzt auch freilassen. Wir wurden nur aufgrund des Refugee Protests festgenommen."

Die Ungereimtheiten im Zuge der Ermittlungen häufen sich. Weitere Details, die der Verhandlungstag zutage brachte: vage zusammengefasste Sachverhalte, keine Aktenvermerke über Telefonkontakte mit ausländischen Kollegen und zum Teil nicht korrekte Übersetzungen abgehörter Telefongespräche. Am Mittwoch, den 24. Juni wird der Prozess mit dem 16. Verhandlungstag fortgesetzt. Am 25. Juni wird Bezirksinspektor Kranz von der SOKO Schlepperei Süd des Bundeskriminalamts (BKA) vernommen, er war für einen der beiden Abschlussberichte zuständig.

Prozessticker zum Fluchthilfe-Prozess