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Polizzen gegen Lösegeld-Forderungen

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Österreicher sind selten Zielscheibe von Entführern. Im Ernstfall entsteht aber ein Millionenschaden. Foto: bilderbox

Im Ausland tätige Mitarbeiter können gegen Entführung versichert werden. | Auch Training zur Prävention enthalten. | Wien. Mitten im bolivianischen Dschungel wird ein österreichischer Ingenieur auf dem Weg zu einem Kraftwerksbau bei einer Straßensperre angehalten und entführt. Auch wenn


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es sehr unwahrscheinlich klingt: Entführungen von österreichischen Beschäftigten im Ausland kommen selten, aber doch vor.

Es gebe nicht viele Entführungsfälle, in die österreichische Firmen verwickelt sind. "Wenn aber etwas passiert, geht der Schaden dann in die Millionenhöhe", sagt Alexander Gallati vom Versicherungsmakler Aon Jauch & Hübener.

Für solche Fälle können Firmen eine sogenannte Kidnapping-Versicherung abschließen. "Für die Anbieter sind solche Versicherungen ein profitables Geschäft", sagt Gallati.

Genaue Zahlen darüber gibt es nicht, der Experte schätzt jedoch, dass mehrere hundert heimische Unternehmen gegen Kidnapping versichert sind. Die Existenz einer Lösegeld-Polizze wird in den meisten Firmen geheim gehalten, sagt Gallati. Die Versicherung führe die Firma unter einem Codenamen.

Besonders Ölkonzerne sowie Anlagenbauer gehören laut Gerhard Donner, Geschäftsführer des Wirtschaftsberaters Ernst & Young, zur Zielgruppe. Die Versicherung sei aber nicht nur für Großkonzerne, sondern auch für Klein- und Mittelbetriebe interessant, sagt Gallati.

Zu den besonders gefährlichen Regionen zählen Lateinamerika - vor allem Kolumbien - sowie der Nahe Osten und Nordafrika. "Schickt eine Firma häufig Mitarbeiter in diese Risikogebiete, ist eine Lösegeld-Versicherung zu überlegen", sagt Donner.

Den heimischen Markt teilen sich derzeit die amerikanischen Versicherungen AIG und Chubb sowie die niederländische PIA Nassau. Auch die Allianz will noch heuer in Österreich eine Versicherung gegen Kidnapping anbieten.

Zur Prämie und der Deckungssumme halten sich die Versicherungen selbst bedeckt. Die AIG, die bald unter dem Namen Chartis firmieren wird, verweist darauf, dass dieses Thema "sehr heikel" sei. Die Prämie der Versicherung richte sich nach der Anzahl der versicherten Mitarbeiter und den Reisetagen, so Gallati. Üblich sei es, nicht nur Manager, sondern alle Mitarbeiter zu versichern. Die Deckungssumme bei Kidnapping-Versicherungen liege bei einigen Millionen Euro - ohne Selbstbehalt.

Fehlt ein Ohr?

Was passiert im Fall des Falles? "Die Versicherungen kommen für das Lösegeld auf und schicken innerhalb von 24 Stunden einen Krisenberater, der mit den Entführern verhandelt", sagt Gallati. Abgedeckt werden auch Rehabilitationskosten sowie Kosten für kosmetische Operationen - "wenn dem Mitarbeiter während der Geiselnahme ein Ohr oder ein Finger abgetrennt wird", so Gallati.

Ein wesentlicher Teil der Versicherung ist ein Training zur Prävention von Gefahrensituationen. "Die Mitarbeiter sollten sich für Entführer unberechenbar verhalten", sagt Gallati. Dazu gehöre, nicht jedes Mal den gleichen Weg zu fahren sowie das Fortbewegungsmittel zu wechseln. Vor Auslandsaufenthalten sollte die Firma die Mitarbeiter über gesundheitliche, politische und kriminelle Risiken sowie über die Zielregion informieren. Hilfreich sind laut Donner genaue Aufzeichnungen, wann sich welcher Mitarbeiter wo aufhält und welche Termine er dort hat. Für den Ernstfall sollte ein Notfallplan ausgearbeitet werden, in dem Krisenberater für jede Region aufgelistet werden. "Dadurch gewinnt eine Firma bei einer Entführung viel Zeit, und Zeit ist entscheidend", so Donner. Zudem sollten Mitarbeiter geschult werden, wie sie richtig auf Entführer reagieren.