Zum Hauptinhalt springen

Polnische Salatpflücker wehren sich

Von unserer Korrespondentin Saskia Jansens, Hilversum

Europaarchiv

Ein Salatproduzent muss seinen entlassenen polnischen Pflückern Lohn nachzahlen. Damit schreitet ein niederländisches Gericht erstmals gegen die Ausbeutung polnischer Arbeiter ein. Diese werden von der Gewerkschaft unterstützt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Polen arbeiten hart und klagen nicht. Das ist der Ruf polnischer Arbeiter in den Niederlanden. Manche Arbeitgeber haben das ausgenutzt. Jetzt ist erstmals ein Gericht gegen die Ausbeutung polnischer Arbeiter eingeschritten.

Van Dijck in Nord-Limburg ist der größte Produzent von Eisbergsalat in den Niederlanden. Er beschäftigt 180 polnische Saisonarbeiter. Ende Juni kam Van Dijck in die Schlagzeilen, weil einige der Saisonarbeiter bei ihm die Arbeit niedergelegt hatten - der erste Streik von Polen im Land. Anlass war die Forderung des Arbeitgebers, nach einer zwölfstündigen Nachtschicht nochmals drei Stunden zu arbeiten. Für 25 Polen war das Maß voll. Der Arbeitgeber entließ zehn der 25 Streikenden. Die Entlassenen verloren nicht nur ihr Einkommen, sondern auch die Unterkunft auf dem Gartenbaubetrieb. Wim Baltussen, Funktionär der Gewerkschaft FNV, bot den Entlassenen Unterkunft - und erhielt im Gegenzug die Vollmacht, in ihrem Namen gegen Van Dijck zu klagen.

In den Niederlanden ist es verboten, Beschäftigte zu entlassen, weil sie streiken. Der Arbeitgeber warf den Entlassenen aber vor, polnische Kollegen drangsaliert und eingeschüchtert zu haben.

Arbeitsvertrag verletzt

Der zuständige Kreisrichter entschied vergangene Woche, dass für eine sofortige Entlassung keine ausreichenden Gründe vorgelegen hatten. Der Arbeitgeber hätte die Version der Beschuldigten anhören müssen und sie vor ihrer Entlassung verwarnen müssen. Van Dijck will acht der zehn Polen nicht mehr einstellen, muss ihnen aber weiter Lohn zahlen. Für Gewerkschaftsfunktionär Baltussen sind sowohl der Gang zum Gericht wie das Urteil ein Erfolg. "Das zeigt, dass auch Polen nicht mehr alles schlucken."

Doch die Angelegenheit geht weiter. Die Gewerkschaft hat auch ein Verfahren wegen Verletzung des kollektiven Arbeitsvertrages angestrengt. Dieser besagt, dass die Beschäftigten nicht länger nach der Zahl der Pflanzen, sondern nach Arbeitszeit bezahlt werden müssen. Außerdem sei nicht die vereinbarte Zahl von Pausen gewährt worden. Einige Pflücker sollen sogar in Ohnmacht gefallen sein, weil sie sich zu lange im heißen Teil der Gewächshäuser aufgehalten haben.

Mit deutschem Pass

Die Niederlande hat wie die meisten Länder der alten EU ihren Arbeitsmarkt nicht für die Bürger der neuen EU-Länder geöffnet. Dennoch arbeiten rund 45.000 Polen im niederländischen Polderland. Fast die Hälfte von ihnen hat einen deutschen Pass. Viele Arbeitgeber fragen erst gar nicht nach der Arbeitserlaubnis. Zahllose Vermittlungsbüros holen willige Arbeitskräfte aus dem Osten. Offiziell verdienen die Polen den gleichen Lohn wie die Niederländer. In der Praxis geben sie sich aber mit Arbeitsbedingungen zufrieden, die Einheimische nicht akzeptieren würden.