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"Gefährliche" Auswanderungswelle in Polen - Nur 17 Prozent der Jungen schließen Emigration aus.
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Seine Mission ist klar. Artur Debski hat sich auf den Weg nach London gemacht, um herauszufinden, was seine Landsleute in Scharen nach Großbritannien auswandern lässt. Der polnische Abgeordnete glaubt fest daran, Polen könne vom Nachbarn lernen. Was steckt hinter dem "beunruhigenden" Auswanderungsproblem und wie lässt es sich in den Griff bekommen?
Das zweiwöchige Experiment startete am 5. April, als der einfache Migrant Debski in London ankam. Er verbrachte seine erste Nacht auf dem Wohnzimmerboden eines Landsmannes und fand rasch heraus, dass er sich im Londoner Dschungel mit den pro Woche 100 zur Verfügung stehenden Pfund (umgerechnet 121 Euro) nicht durchschlagen würde können. Mit der BBC sprach er über seine ersten Erkenntnisse:
Arbeitsagentur keine Hilfe
Die ersten Probleme ergaben sich also gleich nach seiner Ankunft. Unterkünfte sind teuer und sein Wochengeld von 100 Pfund war nach drei Tagen aufgebraucht. "Es ist unmöglich, damit durchzukommen. Das Essen ist zwar nicht so teuer, aber für eine Woche reicht es nicht", sagte Debski. Er habe schließlich ein Angebot einer polnischen Vermieterin bekommen - ein kleines Zimmer für umgerechnet 34 Euro die Nacht.
Nur lobende Worte fand Debski für die öffentlichen Verkehrsmittel, die "überaus freundlichen Menschen" und London als ganz "besondere Stadt". Das Job-Center, dem er gleich nach der Ankunft einen Besuch abstattete, war bei der Arbeitssuche nicht besonders hilfreich. Die Erfolgsformel lautete vielmehr Mundpropaganda und in das Netzwerk der Auslandspolen einzutauchen, (das in Großbritannien nicht schwierig zu finden ist). Ein polnischer Bekannter vermittelte ihm seinen ersten Job bei einer Baufirma.
Großbritanniens offenes und attraktives System ziehe Unternehmen und Menschen an - ganz im Gegensatz zum restriktiven Polen, das laut Debski an zahlreichen Krankheiten leidet: Vom mächtigen Einfluss der Kirche bis hin zu "irren" Geld- sowie Haftsrafen für Vergehen wie dem Rauchen von Marihuana. Das galt bis vor Kurzem auch für alkoholisiertes Fahrradfahren - Zehntausende saßen aus diesem Grund bis zu einem Jahr hinter Gitter.
"Gefährlich für Polen"
Laut Angaben des polnischen Statistikamtes lebten Ende 2012 etwa 2,13 Millionen polnischer Staatsbürger im Ausland. Die Regierung müsse rasch handeln und genug Anreize für die Bevölkerung liefern, im Land zu bleiben. In zehn Jahren, so Debski, wäre es zu spät. "Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung für Polen", sagte der Politiker der Mitte-links-Partei Twoj Ruch (Deine Bewegung).
Seit Polen in der EU sei, sei das Land auf einem guten Weg. Artur Debski gehe es allerdings zu langsam. Er verwies in seinem Gespräch mit der BBC auf eine Studie unter jungen Polen, wonach nur 17 Prozent eine Auswanderung komplett ausschließen. Eine weitere Sorge: 2013 sind erstmals seit 60 Jahren in Polen mehr Menschen gestorben als zur Welt gekommen.
Polen müsse eine unternehmensfreundlichere Kultur entwickeln. Von Großbritannien könne man sich die Steuererleichterungen in der Höhe von 2.000 Pfund für Kleinunternehmer abschauen.
"Langfristig gesehen werden die Menschen nicht nur zurückkehren, um ihre Ersparnisse in Unternehmen zu investieren, sondern auch berufliche, soziale und politische Erfahrungen zur Weiterentwicklung des Landes einzubringen", sagte der Sprecher der polnischen Botschaft in London.