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Polnisches Grablicht für russische Tote

Von Martyna Czarnowska

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Zu den Siegesfeiern zum Ende des Zweiten Weltkrieges am 9. Mai plädieren Polen für eine besondere Geste gegenüber Russland.


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Wie mit der Schnur gezogen stehen die Stelen da. Es sind einfache Quader; ein roter Stern prangt jeweils an den Platten, deren Grau mit der Zeit immer blasser geworden ist. Grab reiht sich an Grab. Es ist ein Friedhof für gefallene Soldaten der Sowjetunion, tausende Menschen sind dort bestattet. Die Stadt, an deren Rand er sich befindet, hatte lange Zeit auch einen deutschen Namen: Breslau. Nun ist es Wroclaw, im Südwesten Polens.

Bis 1989 war der Friedhof immer gepflegt, das Gras war geschnitten, die Blätter wurden von den Wegen gekehrt. Doch später, nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems, fühlte sich niemand mehr so recht dafür zuständig, zum Gedenken an die einstigen Brüder aus dem Osten zu mahnen. Unkraut begann zwischen den Steinen zu wuchern.

Auch in anderen Städten Polens finden sich solche Orte. Allein in Warschau sind 22.000 sowjetische Soldaten begraben. Zu ihren Gräbern reisen bis heute ihre Brüder, Söhne oder Töchter an. Polen aber fanden nach 44 Jahren sozialistischer Hegemonie nur selten ihren Weg dorthin.

Das soll sich nun wieder ändern. Zumindest wenn es nach dem Willen einiger polnischer Geistlicher, Künstler und Intellektueller geht. Es soll eine Verbeugung vor den russischen Toten geben - nicht zuletzt als Dank für die Verbeugung der Russen vor den polnischen Toten des 10. April.

Es begann mit einem Appell von Erzbischof Jozef Zycinski. Bewegt von der Anteilnahme der russischen Öffentlichkeit nach dem Absturz des Flugzeugs mit Präsident Lech Kaczynski und 95 weiteren Menschen vor einem Monat rief er dazu auf, sowjetische Friedhöfe in Polen in Ordnung zu bringen. Es wäre eine Geste des Erinnerns, und ein guter Anlass dazu sei der 9. Mai, an dem der 65. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges begangen wird.

Dutzende Künstler, Publizisten und Politiker griffen die Idee auf. Im Internet unterzeichneten Persönlichkeiten wie die Literatur-Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska einen Brief, der der Aussöhnung dienen soll. Die Sympathie und das Mitgefühl der Russen mit den Polen nach der Flugzeugkatastrophe geben Hoffnung auf eine neue Öffnung zwischen den beiden Völkern, heißt es in den Schreiben. "Als Anerkennung dieser Solidarität lasst uns am 9. Mai Grablichter auf den Friedhöfen sowjetischer Soldaten anzünden."

Mit seinem Beispiel wollte Andrzej Wajda vorangehen. Der Regisseur, dessen Vater vom sowjetischen Innengeheimdienstes NKWD 1940 bei Katyn ermordet worden war, ließ sich knieend vor dem Grab eines russischen Soldaten in Warschau ablichten. Die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" brachte das Foto auf ihrer Titelseite.

Der Streit um die Geschichte hat das Verhältnis zwischen Warschau und Moskau immer wieder belastet. So haben Polen jahrelang nicht an den Siegesfeiern in Moskau zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges teilgenommen. 1945, das in Russland als Jahr der großen Freiheit für die Völker begangen wurde, bedeutete für viele Staaten Osteuropas den Beginn einer nächsten Unterdrückung. Doch mittlerweile räumte auch der Kreml ein, dass es sowjetische Kriegsverbrechen gegeben hat. In den Paraden zum 9. Mai hat er nun Polen einen Platz in den vordersten Reihen angeboten. Und erstmals nach Jahren werden am Wochenende polnische Soldaten in ihrer Uniform durch die Straßen Moskaus marschieren.