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Rumäniens umstrittener Premier versucht in Brüssel die Wogen zu glätten.
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Bukarest. Wenn Rumäniens Premier Victor Ponta am Donnerstag in Brüssel eintrifft, werden seine Gesprächspartner, darunter EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, sehr sorgfältig zwischen Schein und Sein unterscheiden müssen. Denn Ponta, der mit seinem Versuch, Präsident Traian Basescu zu stürzen, europaweit für Schlagzeilen sorgt, ist ein Meister im Tarnen und Täuschen. Dass er seine Dissertation über weite Strecken gar nicht selbst geschrieben hat und jahrelang angab, einen Mastertitel der Universität von Catania zu haben, obwohl er dort gerade einen einzigen Kurs besucht hatte, passt gut zu einem Mann, der seine Biografie ebenso wie seine politischen Anschauungen als postmodernes Konstrukt ansieht: jederzeit abänderbar, erweiterbar, wie es die jeweilige Situation erfordert.
Hobby-Rennfahrer Ponta
So wird dem 39-jährigen Chef der rumänischen Sozialdemokraten und Hobby-Rennfahrer nachgesagt, nicht nur ein Fan von steuernden Eingriffen des Staates in die Wirtschaft zu sein, sondern auch ein Gegner von überzogenen Sparprogrammen. Die würden, sagt er, am Ende vor allem die Armen treffen. Doch so sehr sich Ponta als Oppositionsführer und erst recht als Che-Guevara-begeisterter Jungsozialist in Verbalradikalismus übte - spätestens seit er im heurigen April Regierungschef wurde, agiert er wirtschaftspolitisch völlig unauffällig.
Das Rumänien vom IWF aufgetragene Sparprogramm trägt er ebenso mit wie seine Vorgänger. Seine Versprechen, die Mehrwertsteuer wieder zu senken, die Löhne im öffentlichen Dienst und die Pensionen anzuheben, hat er mit der Amtsübernahme auf Eis gelegt. Dass er sich nun mit dem Konservativen Basescu anlegt, dem er "sozialpolitischen Genozid" vorwirft, werten viele Beobachter als grobschlächtiges Manöver, um davon abzulenken.
Dass das Manöver hart an der Grenze des demokratiepolitisch Erträglichen ist, überrascht nicht. Schließlich musste sich Ponta schon öfters den Vorwurf stalinistischer Säuberungspraktiken gefallen lassen. Etwa, als er den für seine Integrität viel gelobten, aber radikal antikommunistischen Direktor des rumänischen Nationalarchivs, Dorin Dobrincu, absetzte, die Führung der rumänischen Kulturinstitute im Ausland austauschte oder im Zentralen Statistikamt seine Vertrauensleute einsetzte. Da nannte man ihn einen "kleinen Ceausescu", der zumindest im übertragenen Sinn über Leichen gehe: ein Mann von radikaler politischer Härte.
Doch auch dieses Bild hat eine Kehrseite. "In Wirklichkeit ist er schwach. Er ist eine Marionette am Gängelband seiner politischen Ziehväter Ion Illiescu und Adrian Nastase. Er klammert sich an ihre Hosenbeine wie ein kleiner Bub", sagt ein Beobachter über Ponta. Der Versuch, Basescu abzulösen, sei daher auch ein Versuch, den Ziehvater Nastase zu schützen. Diesem drohen zwei Jahre Haft wegen Korruption.
Ist Präsident Basescu einmal weg, kann Ponta leichter den Chef des Departments zur Korruptionsbekämpfung austauschen und so möglicherweise eine Aufhebung des Hafturteils gegen Nastase erreichen. Dass Ponta allem Anschein zum Trotz bestenfalls ein schwächelnder Minidiktator ist, bestätigt auch der Bukarester Politologe Cristian Ghinea: "Ponta mag nicht sehr viel von Demokratie halten. Ein zweites Weißrussland wird Rumänien unter ihm aber nicht. Dazu ist er zu sehr von anderen Mitspielern auf der politischen Bühne abhängig."
Schengen-Beitritt steht an
Abhängig ist Ponta am Ende auch von der EU. Denn immer noch steht der letzte Schritt der Vollintegration Rumäniens in die EU aus: der Schengen-Beitritt und somit der Entfall der Grenzkontrollen an der ungarisch-rumänischen Grenze. Damit hat die EU, anders als im Fall des ebenfalls zu autoritären Ausfällen neigenden Ungarn Victor Orban, ein durchaus brauchbares Druckmittel gegen Ponta in der Hand. Ein Fortschrittsbericht der EU-Kommission zur Lage in Rumänien ist für die nächste Woche geplant.
Wohl deshalb, und auch weil es seinem Naturell entspricht, sandte Ponta zuletzt sehr widersprüchliche Signale nach Brüssel aus. Einerseits goss er zusätzlich Öl ins Feuer, indem er ankündigte, Rumänien werde sich nicht von außen bevormunden lassen und seine Probleme selber lösen. Andererseits versuchte er zu beruhigen, indem er die politische Stabilität betonte: "Ich möchte klarstellen, dass wir Recht, Verfassung, europäische und internationale Standards respektieren."