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Ponta will nicht zurücktreten

Von WZ-Korrespondent Silviu Mihai

Politik

Gegen Rumäniens Premierminister wird wegen Geldwäsche, Fälschung und Steuerhinterziehung ermittelt.


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Bukarest. Die rumänische Öffentlichkeit ist seit gut einem Monat in Aufruhr, und selbst das herrliche Sommerwetter kann die Bukarester nicht mehr von dem Thema ablenken. In den Biergärten und den schicken Cafés der Innenstadt wird nur noch über das Schicksal von Ministerpräsident Victor Ponta diskutiert: Wie lange darf er noch bleiben? Der Sozialdemokrat, der das Land seit 2012 regiert, steht unter Korruptionsverdacht. Das ist eine Premiere in der Geschichte der rumänischen Justiz: Zum ersten Mal gehen die Staatsanwälte gegen einen amtierenden Ministerpräsidenten vor. Die mächtige Sonderabteilung für die Bekämpfung der Korruption (DNA) sperrte am vergangenen Sonntag Pontas Konten und untersagte ihm die Veräußerung seiner Immobilien und anderen Vermögenswerte. Eine Anklage steht kurz bevor und würde laut Gesetz automatisch zu einer Amtsenthebung führen.

Präsident fordert Rücktritt

Die DNA hatte Ponta bereits Anfang Juni vorgeladen, um ihm den Beschluss und die Anschuldigungen mitzuteilen. Es handle sich um Fälschung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Der Politiker habe 2007 und 2008, als er Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und gleichzeitig als Rechtsanwalt tätig war, rund 50.000 Euro illegal kassiert. Um die Zahlungen gegenüber dem Finanzamt zu rechtfertigen, habe seine Kanzlei später in 17 Fällen Rechnungen für Rechtsberatung erstellt, die aber nie stattgefunden habe, vermutet die DNA. Auftraggeberin für die vermeintlichen Leistungen war die Anwaltskanzlei von Parteikollege Dan Sova, der seit März ebenfalls unter Korruptionsverdacht steht. Sova wird vorgeworfen, sich durch Beratungsverträge mit diversen staatlichen Energieunternehmen fast 800.000 Euro illegal angeeignet zu haben.

Am gleichen Abend forderte der wirtschaftsliberale Präsident Klaus Johannis den sofortigen Rücktritt Pontas. "Ihr Verbleib im Amt wäre ein massives Imageproblem für Rumänien", teilte das Staatsoberhaupt seinem früheren Wahlkampfgegner öffentlich mit. Bisher lehnte Ponta stets diese Forderung ab, und für einen Protest gegen ihn konnten Opposition und Zivilgesellschaft nur einige Hunderte Teilnehmer mobilisieren. "Es sind die letzten Tage eines alten Politikstils, der auf Selbstbereicherung und Amtsmissbrauch basierte", verkündete in den ersten Tagen des Skandals der liberale Leitartikler Dan Tapalaga, der im Wahlkampf Johannis unterstützte. Doch als ein Rücktritt immer unwahrscheinlicher wurde, und Pontas Parlamentsmehrheit gegen die Aufhebung seiner Immunität abstimmte, mussten selbst Tapalaga und andere Verfechter einer radikalen Korruptionsbekämpfung zugeben, dass die Bürger die Aufregung der Medien offensichtlich nur begrenzt teilen.

Verzicht auf Parteivorsitz

Unmittelbar danach fuhr der Ministerpräsident in die Türkei, um sich am Knie operieren zu lassen, nachdem er sich beim Basketballspielen verletzt hatte. In Bukarest spekulierten Medien und Stammtische darüber, ob Pontas ungewöhnlich lange Abwesenheit tatsächlich für die Genesung erforderlich ist, oder vielmehr ein Manöver, um den Druck der Öffentlichkeit loszuwerden. Fakt ist, dass Ponta Ende vergangener Woche wieder auftauchte - und ankündigte , dass er auf den Parteivorsitz verzichtet, aber nicht auf seinen Posten als Premier. Politikwissenschaftlerin Alina Mungiu-Pippidi von der Hertie School of Governance sieht kurzfristig keine politische Lösung der Krise. Die wirtschaftsliberale Opposition sei zu schwach und verfüge schlicht nicht über die nötige Parlamentsmehrheit, um einen Regierungswechsel zu erzwingen. Hinzu komme, dass hochrangige Oppositionspolitiker selber in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelt seien.

Auch der linke Publizist und Blogger Costi Rogozanu betrachtet die Lage mit Skepsis: "Dass die ganze politische Klasse extrem korrupt ist, weiß jeder und jede hierzulande. Doch ob die Justiz eine Reform durchsetzen kann und soll, indem sie einfach alle Politiker verhaften lässt, darf man bezweifeln." Denn es handele sich bei weitem nicht nur um einige "faule Äpfel", um ein Problem juristischer und moralischer Natur. Vielmehr basiere die ganze Gesellschaft auf Korruption: In einem Land, in dem der Staat nie besonders stark und effizient war, hätten die neoliberalen Reformen der neunziger Jahre dazu geführt, dass wesentliche Aufgaben der öffentlichen Hand nur noch schlecht oder gar nicht mehr erfüllt werden könnten. Anstelle des Staates sei dann der Mechanismus der Korruption getreten. "Denn der Aufbau eines sozialen Sicherheitsnetzes gehörte nicht zu den Prioritäten der liberalen, pro-europäischen Politik der letzten 25 Jahre."