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Populismus mit Kurzschem Antlitz

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Ist es ein Trost, wenn Kurz Strache Stimmen wegnimmt?


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Kann man sagen, eine Vorstellung grassiert - wenn man sie in der Schlange vor der Kassa aufschnappt, im Kaffeehaus am Nebentisch mitbekommt, in einem Gespräch zu hören bekommt? Die Vorstellung, dass Sebastian Kurz bei dieser Wahl H.C. Strache Stimmen wegnehmen würde. Die Vorstellung, dass Kurz Strache alt aussehen lässt. Und das nicht nur wegen dessen Brille.

Es ist zwar nicht das, was manch einer sich wünscht - aber immerhin könnte Kurz dazu beitragen, Strache zu schwächen. Egal, wie man zu Kurz steht, ob man ihn wählt oder nicht - für jene, die die Freiheitlichen verhindern wollen, scheint diese Vorstellung, ein Trost zu sein. Kurz mutiert zu einer neuen Art von kleinerem Übel.

Das Problem ist nur: Wenn Kurz Strache Stimmen wegnimmt, dann ist das kein Zufall. Das, was ein Trost zu sein scheint, ist mittlerweile vielmehr selbst ein Problem - nämlich Kurz.

Kurz ist nicht wie jene früheren Mainstream-Politiker, die sich aus Angst vor Wählerverlusten von den Freiheitlichen treiben ließen. Die rechts blinkten, ohne rechts fahren zu wollen. Kurz ist eine neue Kategorie. Er ist längst mit Karacho nach rechts unterwegs. Nicht getrieben, sondern aus eigenem Antrieb. Unklar ist nur, wo er halten wird.

Er inszeniert sich als Schließer der Mittelmeerroute und denunziert Helfer und NGOs. Er inszeniert sich als Hardliner, der Strafverschärfung bei Gewaltdelikten fordert - auch wenn er damit gegen sich selbst, als Mitglied jener Regierung, die solche längst beschlossen hat, antritt. Er propagiert eine Studie zu "islamischen Kindergärten", deren Spitzen hausgemacht zugeschnitten wurden.

Aber den wahrscheinlich nachhaltigsten Effekt hat das Kurzsche Vorgehen in Bezug auf den Alltagsrassismus. Es ist ja so, dass Ressentiments aller Art in der Bevölkerung existieren, dass sie durchaus verbreitet sind. Die Frage ist nur, ob die Politik solche negativen Gefühle neutralisiert oder befördert.

Die Populisten aller Länder sind es, die diese negativen Leidenschaften aus dem Alltag herausholen und zu einem Politikum machen - sie ent-privatisieren und öffentlich machen (und sie so auch befeuern). Indem sie diesen eine Sprache geben. Indem sie ihnen einen Platz im gesellschaftlichen Diskurs "erobern".

Lange konnten die Freiheitlichen diesen Emotionen nur die Schmuddelecke bieten. Kurz aber tritt an, um ihnen einen ganz neuen Platz zu sichern. Einen Platz mitten in der Gesellschaft. Kurz ist derjenige, der die negativen Leidenschaften aus der Schmuddelecke herausholt. Er eröffnet ihnen einen Königsweg in die Gesellschaft, der auch für jene gangbar ist, die sich bei der Xenophobie die Hände nicht schmutzig machen wollen. Er verleiht dieser einen "gesitteten" Ausdruck.

Es sind nicht mehr nur die Hetzer, die den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts driften lassen, sondern auch die konservativen Eliten, stellte Jan-Werner Müller kürzlich fest. Für alle, die das nicht wollen, ist darum das Abschneiden der FPÖ bei der kommenden Wahl nicht mehr die einzige Frage. Oder anders gesagt: Nein, es ist kein Trost, wenn Kurz Strache Stimmen wegnimmt. Denn das, was man dafür bekommt, ist Populismus mit Kurzschem Antlitz.