Schengen-Erweiterung per SMS. | Brüssel. (apa) Das portugiesische EU-Team hätte sich am Nachmittag des 19. Oktober 2007 eigentlich gemütlich zurücklehnen und die Arbeit bis Jahresende ruhen lassen können. Mit der Einigung der 27 Staats- und Regierungschefs auf den Text des neuen EU-Reformvertrags war das wichtigste Ziel, das sich Portugal für seinen nun zu Ende gehenden sechsmonatigen EU-Vorsitz gesetzt hatte, erreicht. Sogar das zweite Prestigeprojekt, die Aufhebung der Grenzkontrollen zu den neuen Mitgliedstaaten, war bereits auf Schiene. Doch die dynamischen Portugiesen scheuten auch vor anderen Herausforderungen nicht zurück.
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Mit der Unterzeichnung des Lissabonner Vertrages in der portugiesischen Hauptstadt, erfüllte sich der sozialistische portugiesische Premier Jose Socrates einen Traum. Ohne das präzise Mandat für den neuen Vertrag, auf das sich die EU-Chefs bereits unter dem Vorsitz der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Juni einigten, wären die Erfolgsaussichten weit geringer gewesen.
Die Kritik an dem Reisezirkus, der für die Vertragsunterzeichnung nötig wurde, nahm Socrates in Kauf. Die Politiker mussten zuerst nach Lissabon fliegen, um zu unterschreiben, und dann nach Brüssel zur Arbeitssitzung eilen, weil Belgien nicht auf den Dezember-Gipfel verzichten wollte.
Dass die Erweiterung des Schengen-Gebiets noch heuer durch einen Ausbau der bestehenden Fahndungsdatenbank möglich wird, geht auf Initiative Portugals zurück. Wegen Verzögerungen beim neuen Schengen-Computer SIS II hatte es bereits so ausgesehen, als müssen die osteuropäischen EU-Staaten bis 2008 oder 2009 auf ein Ende der Grenzkontrollen warten.
Einige Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, versuchten zwar noch nach Kräften zu bremsen, doch die Portugiesen schufen Tatsachen: Mit einem lapidaren SMS am Nachmittag des 3. Oktober wurde die Teilnahme von Ministerpräsident Socrates an den Feierlichkeiten zur Öffnung der Schengen-Grenzen am 21./22. Dezember angekündigt. Die endgültige Entscheidung der Justizminister am 8. Dezember galt da nur noch als Formsache.
Weniger Erfolg bei
EU-Afrika-Gipfel
Ein kleines Bravourstück gelang Portugal auch beim EU-Gipfel zum Kosovo, dem schwierigsten außenpolitischen Thema der EU bisher. Obwohl die 27 Mitglieder nach wie vor uneins sind, wie sie mit der Anerkennung der nach Unabhängigkeit strebenden südserbischen Provinz umgehen sollen, wurde die zivile EU-Mission beschlossen.
Erfolgreich abgeschlossen wurde auch ein jahrelanger Streit um eine Änderung der Besteuerung von Dienstleistungen in der EU. Nicht gelungen ist dagegen ein Kompromiss zur Arbeitszeitrichtlinie, was aber die portugiesische Erfolgsbilanz kaum trübt: Es war bereits der fünfte Anlauf.
Nicht ganz so erfolgreich wie erhofft verlief ebenso der EU-Afrika-Gipfel, mit dem die portugiesische Regierung die Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten wieder beleben wollte. Unter anderen verweigerte der britische Premier Gordon Brown sein Kommen, weil Simbabwes Präsident Robert Mugabe seine Anwesenheit zugesagt hatte. Das Treffen endete wegen der geplanten Handelsabkommen im Streit.
Dennoch streuten zu Jahresende Diplomaten dem portugiesischen EU-Vorsitz Rosen - auch wenn alles im Vergleich zur vorangegangenen deutschen EU-Präsidentschaft weniger organisiert abgelaufen sei.