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Portugals EU-Gipfel im Schatten des Fußballs

Von Hubert Kahl

Europaarchiv

Feira - Während in der Europa-Metropole Brüssel König Fußball regiert, haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in die tiefste Provinz im Norden Portugals zurückgezogen.


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Aber der Schatten der Fußball-Europameisterschaft reicht auch bis in die portugiesische Provinz. Die Portugiesen interessieren sich mehr für ihre Kicker Luis Figo oder Rui Costa als für politische Führer wie den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac oder den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Schon bei der vorigen portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft vor acht Jahren hatte der Gipfel im Schatten des Fußballs gestanden. Damals fiel die Gipfelkonferenz zeitlich mit dem EM-Finale Dänemark gegen Deutschland zusammen.

Beim Treffen in Feira stand Portugals EU-Ratspräsidentschaft auch aus einem anderen Grund vor einer undankbaren Aufgabe. Abgesehen von der Zinsbesteuerung waren keine wesentlichen Beschlüsse zu erwarten. Dies war keineswegs die Schuld Lissabons. Der Grund ist, dass unter finnischer Präsidentschaft alle anstehenden Entscheidungen getroffen worden waren und die Portugiesen nur künftige Beschlüsse vorbereiten mussten. Ministerpräsident Antonio Guterres wurde für seine EU-Ratspräsidentschaft ausdrücklich gelobt. Das britische Magazin "The Economist" schlug gar vor, den Portugiesen für immer den EU-Ratsvorsitz zu geben.

Innenpolitisch zahlte sich für Guterres das Lob aber nicht aus. Im Gegenteil: Der sozialistische Regierungschef geriet in den vergangenen Wochen zunehmend unter Druck. Seinem Land droht eine größere Welle von Streiks und sozialen Konflikten. Einen Vorgeschmack darauf bekamen auch die Teilnehmer des Gipfels zu spüren. Streikende Taxi-Unternehmer planten in Porto eine Protestdemonstration. Die europäischen Gewerkschaften riefen in der Hafenstadt zur vielleicht größten Arbeiterkundgebung in Portugal seit 25 Jahren auf. Auf der Straße zum Konferenzort des Gipfels protestierte die österreichische Initiative "Fairness for Austria" gegen die politische Isolierung Wiens.

In Porto herrschte ein Verkehrschaos, nicht allein wegen der Demonstrationen. Die Gipfelteilnehmer logierten in der Hafenstadt und wurden in Konvois über die Autobahn nach Feira gelotst. Um das Chaos einigermaßen in Grenzen zu halten, erklärten die Behörden den Montag in Porto kurzerhand zum Feiertag. Die Polizei empfahl den Bewohnern, nach Möglichkeit daheim zu bleiben, ein Rat, der vor allem am Abend befolgt wurde, da gab es wieder TV-Übertragungen von der Fußball-EM.